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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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über ihren Sohn zu erforschen.
    »Passt gut auf«, murmelte sie, ohne jemanden explizit anzusprechen. »Ich weiß nicht, worauf ich mich hier einlasse. Ich will versuchen, dieses Ding zu vertreiben. Gelingt mir das, kann alles ziemlich schnell passieren.« Der Croyel konnte sich einen neuen Wirt suchen oder sich sonst wie verteidigen. »Und sollte das nicht klappen, brauche ich vielleicht Hilfe, um wieder von ihm loszukommen.«
    Jeremiah hob unerwartet den Kopf. Trotz der Leere in seinem Blick sprach er beißend sarkastisch. »Tu ruhig dein Bestes …« Angst oder Spott, »… wenn du glaubst, etwas erreichen zu können. Du kannst nicht mal die Runen auf seinem Stab lesen. Geht es um Macht, gleichst du einem Kind, das mit dem Feuer spielt. Du weißt zu wenig, um etwas anderes zu bewirken als den Tod deines Sohns. Wenn du das wirklich willst.«
    »Ach, red keinen Unsinn!«, sagte Linden ungeduldig. »Hast du vergessen, wie es war, als du letztes Mal versucht hast, dich gegen mich zur Wehr zu setzen? Hast du schon vergessen, wie verängstigt du warst? Du hast dein Bestes getan, und ich bin weiter hier.«
    Indem Linden Avery die Auserwählte bläuliches Feuer wie ein Flammenbanner aus ihrem Stab austreten ließ, stürzte sie sich in den Kern von Jeremiahs versklavtem Verstand.
    Dort einzudringen war einfacher, als sie sich vorgestellt hatte. Der Croyel war hilflos gegen diese spezielle Manifestation von Erdkraft und Gesundheitssinn - oder legte keinen Wert darauf, sich dagegen zu wehren. Und Jeremiahs natürliche Barrieren waren zu schwach, um ihr zu widerstehen. Von einem Herzschlag zum nächsten fand sie sich in einer Umgebung wieder, die an einen Friedhof in der Abenddämmerung erinnerte; in einem Zwielicht, das so düster und körnig war, als hätte es vielleicht niemals hellen Sonnenschein gekannt; an einem Ort, der mit schlecht gepflegten Gräbern einer gefallenen Armee übersät war.
    Als wäre die Luft mit feinem Mitternachtsstaub versetzt, hüllte Grau die unregelmäßigen Grabhügel ein, die sich nach allen Seiten erstreckten, so weit Lindens Sinne reichten. Anfangs verstand sie ihre Bedeutung nicht und wusste auch nicht, wo sie war. Die Dämmerung war verlockend und scheinbar unermesslich tief, als hätte das versagende Licht keine Quelle. Über ihr leuchteten keine Sterne. Der Himmel war undurchdringlich schwarz, leer wie das Innere eines Grabgewölbes. Nichts bewegte die Luft - weder Hitze noch Kälte noch Erkenntnis. Hier wuchs nichts oder duftete oder ließ ein Lebenszeichen erkennen. In dem schwachen Licht war nichts als diese ungeheure Menge von Gräbern zu sehen: den bestatteten Überresten großer Heerscharen.
    Verwirrt und plötzlich ängstlich vergrößerte Linden den Erfassungsbereich ihrer Sinne. Sie drückte gegen das flache schwarze Himmelsgewölbe, drang mit ihrem Wahrnehmungsvermögen in den Boden ein und versuchte, die maßlose Trauer des Dämmerlichts zu erfassen.
    Allmählich begann sie zu sehen.
    Als Erstes erkannte sie nur, dass hinter dem Deckel oder Himmel mehr steckte, als sie ursprünglich angenommen hatte. Irgendeine Macht war dort am Werk, hielt ihn zu, verschloss ihn hermetisch. An den Grenzen ihres Gesundheitssinns spürte sie die Gegenwart einer finsteren Entschlossenheit.
    Von Angst getrieben erhöhte sie den Druck.
    Richtig: Entschlossenheit. Als Linden sich auf ihre Wahrnehmungsgabe konzentrierte, hörte oder roch sie ihre bittere Gewalt und Bösartigkeit; ihren Hass; ihre grausige Kraft. Sie glich einem Netz: verworren und zugleich geordnet, in ihrer planmäßigen Verwirrung absichtlich. Sie lag fest über dem Himmelsgewölbe, als sollte sie unbedingt verhindern, dass der Deckel jemals aufginge. Aber sie bedeckte nicht nur den Himmel. Als Linden sich auf die Farben und Laute ihrer wilden Theurgien einstellte, zeigte sich, dass sie das weite Gräberfeld vollständig umschloss. Tief unter ihren Füßen war das sich windende Netz ebenso ausgespannt wie hoch über ihrem Kopf: ein Grabmal aus Magien, aus dem weder Leben noch Tod entkommen konnte.
    Und es war warm: so warm wie die abstoßende Kraft, die Jeremiah eingesetzt hatte, als Roger und der Croyel sie in die Vergangenheit des Landes gelockt hatten. Warm und bösartig.
    Zögernd wagte Linden, das Feuer ihres Stabes ins Dämmerlicht zu richten. Aber ihre Flammen blieben unsichtbar. Sie schienen so wirkungslos zu sein wie das letzte Atemholen eines Sterbenden.
    Trotzdem spürte sie ihre Anwesenheit, nahm sie mit ihrem

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