09 - Old Surehand III
schnell reiten; wir aber können uns beeilen. Das hätte er bedenken sollen. Er wird, selbst wenn ihm nichts passiert, die Kaskade gar nicht viel eher erreichen als wir. Er hätte bleiben sollen!“
Als Old Wabble kalt geworden war und wir uns überzeugt hatten, daß er nicht etwa scheintot sei, legten wir ihn in das Grab und bedeckten auch ihn mit Reisern und mit Steinen. Es wurde ein Gebet und ein Vaterunser gesprochen und dann fertigten wir ein Holzkreuz, welches auf dem Grab befestigt wurde. So liegt der alte König der Cowboys, der sein ganzes Leben in den Ebenen des Westens zugebracht hatte, auf der Höhe des Gebirges begraben, und zwar von denen begraben, welchen er in die Berge folgte, um ihnen die Rache und den Tod zu bringen, der ihn selbst ereilte.
Wir lagerten uns um sein vom Feuer beschienenes Grab und schliefen einen nicht so langen Schlaf wie er, nämlich nur bis zum nächsten Morgen; da brachen wir auf, sobald der Tag zu grauen begann.
Die Spuren der Utahs waren im weichen Waldboden noch zu sehen; sobald wir aber festeren Weg bekamen, verschwanden sie. Das konnte uns nicht stören. Wir suchten gar nicht nach ihnen, sondern verfolgten, ohne uns um etwas anderes zu kümmern, unsere Richtung, so schnell es uns das Terrain erlaubte.
Es ging vom See des grünen Wassers abwärts nach dem unten liegenden Park von San Louis. Gegen Mittag hatten wir ihn erreicht. Er lag in seiner ganzen Ausdehnung und Schönheit vor unsern Augen, viele, viele Meilen breit und von dementsprechender Länge. Für den Jäger konnte es keinen schöneren Anblick geben, als diesen rund von himmelhohen Bergkolossen eingeschlossenen Park, in welchem Wälder und Prärien, Felsen und Gewässer in einer Weise miteinander abwechselten, als ob Jagdliebhaber ihn unter einem Aufwand von allerdings vielen, vielen Millionen haben künstlich anlegen lassen, und zwar zum Aufenthalt und gelegentlichen Abschuß aller jagdbaren Tiere des wilden Westens.
Hier hatten früher die Bisons zu Abertausenden gelebt; jetzt waren sie vertrieben. Die Kugeln der Goldsucher hatten sie verjagt. Noch vor kurzer Zeit war grad der Park von San Louis das Hauptziel dieser abenteuernden Menschen gewesen; jetzt hatten sie ihn verlassen, um sich nach den Bergen der Cores Range zu wenden, von welcher man erzählte, daß dort unerschöpfliche Goldlager entdeckt worden seien. Das erfuhren wir aber erst später; jetzt waren wir noch der Ansicht, welcher auch Toby Spencer gewesen war, daß man hier, und zwar an der Foam-Kaskade, bedeutende Funde gemacht habe. Ganz von Prospektors verlassen war der Park aber trotzdem nicht. Die Elite derselben, um mich so auszudrücken, war fort; die zur Hefe gehörigen aber hatten bleiben müssen, weil ihnen die Mittel zu einer so weiten Wanderung fehlten. Diese Menschen trieben sich nun im Park umher, um, wie die Lumpensammler der Städte, in den verlassenen Minen und Placers nachzustochern und dabei keine Gelegenheit zu versäumen, da zu ernten, wo von ihnen nicht gesät worden war.
Old Surehand hatte uns nach dem Pui-bakeh, dem ‚Wald des Herzens‘, bestellt. Winnetou wußte, wo dieser lag; es fiel uns aber gar nicht ein, ihn aufzusuchen. Unser Ziel war zunächst die Foam-Kaskade, wohin er jedenfalls auch geritten war.
Wir kamen während des ganzen Vormittages durch eine Gegend, welche ganz das Aussehen hatte, als ob sie aus dem schönen, deutschen Schwabenland hierher versetzt worden sei. Zu Mittag ritten wir einem Wäldchen zu, in welchem wir den Pferden für eine Stunde Ruhe gönnen wollten. Es floß ein klarer Bach hindurch, welcher den zum Mittagsmahl nötigen Trunk zu liefern hatte.
Noch hatten wir das Wäldchen nicht ganz erreicht, so trafen wir auf eine Fährte, welche von seitwärts her nach demselben Ziel führte. Sie war höchstens eine Stunde alt und deutete auf vielleicht zwölf bis fünfzehn Pferde hin. Wir hielten natürlich an. Winnetou stieg ab und ging zunächst allein vorwärts, um zu erfahren, mit welcher Art Menschen wir da zusammentreffen würden. Er kam sehr bald zurück. Hervorragende Westmänner konnten nicht in dem Wäldchen sein, denn das Beschleichen solcher Leute hätte längere Zeit in Anspruch genommen. Sein Gesicht hatte jenen vornehm schalkhaften Ausdruck, den man bei ihm selten sah und der immer ein spaßhaftes Vorkommnis verhieß.
„Gefährlich sind diese Leute wohl nicht?“ fragte Treskow, als er dieses Lächeln des Apachen sah.
„Sogar sehr gefährlich“, antwortete dieser, schnell ernst
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