09 - Old Surehand III
dreinkommt!“
„Was sollte dazwischenkommen?“
„Hört, Mr. Surehand, Ihr rechnet noch mit denselben Ziffern, mit denen Ihr gerechnet habt, als Ihr Euch von Jefferson City aus auf den Weg machtet. Inzwischen aber ist manches geschehen, und die Verhältnisse haben sich geändert. Der ‚General‘ ist da, und es ist –“
„Pshaw!“ fiel er mir in die Rede. „Den fürchte ich nicht! Was geht der mich überhaupt an?“
„Vielleicht mehr, als Ihr denkt!“
„Gar nichts, ganz und gar nichts, Sir!“
„Nun, ich will mich da nicht mit Euch streiten! Ferner sind die Utahs da.“
„Mir gleich!“
„Und der Medizinmann der Komantschen ist auch da!“
„Der ist mir erst recht gleichgültig! Es ist überhaupt sehr zweifelhaft, daß er sich hier befindet. Habt Ihr ihn gesehen?“
„Nein.“
„Nach dem, was Eure Kameraden erzählten, hatte er sich doch den Tramps angeschlossen; er müßte also doch eigentlich mit hier auf der Halbinsel gewesen sein. Er hat sich also von ihnen getrennt.“
„Jedenfalls; und das war klug von ihm!“
„Wenn er wirklich klug war, so ist er zurückgeblieben.“
„Ich denke da anders. Wenn ein Mann mit seinem Weib hier herauf nach der Wildnis reitet, müssen sehr dringende Gründe vorliegen, dies zu tun. Das werdet Ihr ebenso einsehen wie ich.“
„Allerdings.“
„Diese Gründe sind jedenfalls noch vorhanden; er ist also wohl nicht umgekehrt. Die Tramps haben nicht wissen sollen, was er hier oben will; darum hat er sich von ihnen getrennt. So wird es sein.“
„Warum aber ist er erst mit ihnen geritten?“
„Aus Rache und Feindschaft gegen uns, und um unter ihrem Schutz in das Gebirge zu kommen. Sobald er es aber erreicht hatte, hat er sich aus dem Staub gemacht. Er ist ganz gewißlich hier.“
„Mag er; mich kümmert er nicht! Also Ihr wißt nun, woran Ihr seid: Von heut an in vier Tagen warte ich im Pui-bakeh auf Euch. Ihr könnt Euch bis dahin ja mit der Jagd auf die Utahs beschäftigen und sie für den hier begangenen Massenmord bestrafen! Hoffentlich folgt niemand von Euch meiner Fährte!“
„Da könnt Ihr ruhig sein.“
„Wollt Ihr mir das versprechen?“
„Ja; mein Wort darauf!“
„So sind wir fertig. Lebt wohl!“
„Noch nicht! Wollt Ihr Euch nicht Fleisch von uns mitnehmen?“
„Nein; ihr braucht es selbst, und es würde auffallen, wenn ich mich jetzt mit Proviant versorgte.“
„Wir tun es heimlich!“
„Danke! Ich finde unterwegs Wild genug. Also nochmals: Lebt wohl!“
„Lebt wohl, Mr. Surehand! Ich wünsche, daß wir uns glücklich wiedersehen!“
Wir trennten uns, und ich richtete es so ein, daß er unauffällig zu seinem Pferd kommen und sich entfernen konnte. Später erregte es dann allgemeine Verwunderung, als man ihn vermißte und von mir erfuhr, daß er sich, ohne Abschied zu nehmen, entfernt habe. Sie wollten alle wissen, aus welchem Grund er heimlich fortgegangen sei, ich sagte aber nichts. Nur Winnetou sprach keine Frage aus, doch als ich später, als es dunkel geworden war, an seiner Seite saß, hielt er es für angemessen, die Bemerkung zu machen:
„Wir werden Old Surehand wieder befreien müssen!“
„Das denke ich auch“, nickte ich.
„Oder seine Leiche sehen!“
„Auch das ist möglich.“
„Hat mein Bruder nicht versucht, ihn zurückzuhalten?“
„Es war ohne Erfolg.“
„Du hättest ihm sagen können, daß du mehr weißt, als er denkt.“
„Ich hätte es getan, aber er wollte sein Geheimnis für sich behalten.“
„So ist es recht, daß du geschwiegen hast. Vertrauen soll man nicht erzwingen.“
„Er wird bald einsehen, daß es besser gewesen wäre, offen zu sein!“
„Ja. Wie wird er staunen, wenn er erfährt, daß der Scharfsinn meines Bruders Shatterhand in so kurzer Zeit weitergekommen ist als er in vielen Jahren! Ist es durch seine Entfernung nötig geworden, uns anders zu verhalten, als wenn er bei uns geblieben wäre?“
„Nein.“
„Wir werden also den Utahs folgen?“
„Ja.“
„Ihre Fährten werden morgen früh nicht mehr zu sehen und zu lesen sein.“
„Das stört uns nicht. Der ‚General‘, welcher sie anführt, will hinauf nach der Kaskade; wir wissen also, wohin sie reiten.“
„Und sie wissen, daß wir ihnen folgen; sie werden uns also Fallen stellen, um sich dafür zu rächen, daß Old Surehand ihnen entkommen ist.“
„Darum nehme ich an, daß er ihnen wieder in die Hände fallen wird.“
„Wir werden uns beeilen. Er kann während der Nacht nicht sehr
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