09 - Old Surehand III
geforscht, doch ist all sein Suchen bisher vergeblich gewesen.“
„So habt Ihr das, was Ihr wißt, wohl von ihm erfahren, Sir?“
„Leider nein. Ich weiß kein Wort von ihm, nichts, gar nichts, als daß sein Vater im Zuchthaus gestorben ist und seine Mutter und sein Oheim auch an diesem traurigen Ort gewesen sind.“
„Das weiß er? Das hat er Euch gesagt? Woher weiß er es? Von wem hat er es erfahren? Er war damals nur einige Jahre alt!“
„Das hat er mir nicht mitgeteilt. Aber sagt, ist mit dem Oheim, welcher auch im Gefängnis war, Euer Bruder Ikwehtsi'pa gemeint?“
„Ja.“
„Schrecklich! Er, der Prediger, soll Falschmünzer gewesen sein?!“
„Leider! Man hatte Beweise, die er nicht entkräften konnte.“
„Aber wie war es möglich? Bei einem einzelnen Angeklagten ist das eher möglich.“
„Mein Schwager hatte alles so raffiniert überlegt und eingerichtet, daß eine Verteidigung für uns ganz unmöglich war.“
„Das war ein Bruder Eures Mannes?“
„Kein leiblicher, sondern ein Stiefbruder.“
„Hm! Also nicht bloß Halbbruder?“
„Nein. Er stammte von dem ersten Mann meiner Schwiegermutter.“
„Wie hieß er?“
„Eigentlich Etters, Daniel Etters, doch wurde er später nach seinem Stiefvater Bender genannt, und zwar John Bender, weil der verstorbene Erstgeborene John geheißen hatte.“
„Von diesen beiden Namen war Euch John Bender geläufiger als Dan oder Daniel Etters?“
„Ja. Der letztere Name wurde gar nie in Anwendung gebracht.“
„Ah! Darum steht J.B. und nicht das eigentlich richtige D.E. auf dem Kreuz!“
„Welches Kreuz meint Ihr?“
„Das am Grab Eures Bruders.“
„Was? So seid Ihr schon einmal oben bei dem Grab gewesen?“
„Nein.“
„Wie könnt Ihr da von dem Kreuz wissen?“
„Ein Bekannter hat mir davon erzählt. Er hat es gesehen und gelesen.“
„Wer war das?“
„Sein Name ist Harbour.“
„Harbour? Ja, den haben wir gekannt! Also der ist oben gewesen?“
„Das fragt Ihr mich, Mrs. Bender? Ihr habt ihn ja gesehen!“
„Ich? Wer behauptet das?“
„Ich behaupte es. Ihr seid es doch gewesen, die ihn durch das halbe gebratene Bighorn vom Tod des Verhungerns errettet hat!“
„Vermutung, Sir!“ lächelte sie.
„Ja, aber eine Vermutung, welche das Richtige trifft! Warum habt Ihr Euch ferngehalten, Euch nicht von ihm sehenlassen?“
„Er hätte mich erkannt. Also er hat Euch von diesem Grab erzählt?“
„Ja. Und dieser seiner Erzählung habe ich es zu verdanken, daß ich die Tatsachen so nach und nach erraten konnte.“
„Hat Winnetou mit raten helfen?“
„In seiner stillen, wortlosen Weise, ja. Er hat als kleiner Knabe Euren Bruder gesehen, der dann plötzlich verschwunden war.“
„Mit mir und Tokbela, ja.“
„Darf ich den Grund dieses plötzlichen Verschwindens erfahren?“
„Ja. Mein Bruder Derrick – sein indianischer Name war Ikwehtsi'pa; als Christ wurde er Diterico oder englisch Derrick genannt – war ein berühmter Prediger, hatte aber nicht studiert. Er wollte das nachträglich tun und ging deshalb nach dem Osten. Vorher hatte ich Bender gesehen und er mich; wir liebten uns; aber ehe ich seine Frau werden konnte, hatte ich mir die Kenntnisse und Umgangsformen der Bleichgesichter anzueignen. Mein Bruder war stolz; er wollte nicht wissen lassen, daß er noch zu lernen habe. Ich wurde von mehreren roten Kriegern zur Squaw begehrt; diese wären mir gefolgt und hätten Bender getötet. Das sind die zwei Gründe, daß wir von daheim fortgingen, ohne zu sagen, warum. Mein Bruder besuchte ein Kolleg, und ich kam mit Tokbela in eine Pension. Bender besuchte uns da. Er brachte seinen Bruder mit. Dieser sah mich und gab sich von da an alle Mühe, mich Bender abtrünnig zu machen. Es gelang ihm nicht, und seine Liebe zu mir verwandelte sich in Haß gegen mich. Bender war reich, Etters arm; der Arme hatte eine Anstellung im Geschäft des Reichen; er kannte alle Räume dieses Geschäftes und alle Möbel, welche in diesen Räumen standen. Als wir verheiratet waren, wohnte Tokbela bei uns. Etters brachte einen jungen Mann zu uns, welcher Thibaut hieß. Nach einiger Zeit bemerkten wir, daß Thibaut und Tokbela sich liebten. Bender erfuhr Schlimmes über Thibaut und verbot ihm, wiederzukommen. Etters nahm das übel und brachte seinen Freund doch immer wieder mit; er mußte deshalb aus dem Geschäft treten und durfte uns nun auch nicht mehr besuchen. Beide beschlossen, sich zu rächen.“
„Ich ahne! Thibaut
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