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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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setzten ihr Leben daran, sich ihre Liebe zu erringen, doch war das stets vergeblich. Die ältere wurde Tehua (Sonne) und die jüngere Tokbela (Himmel, beides Moquisprache) genannt. Sie waren einst, ohne daß jemand wußte, wohin, mit ihrem Bruder verschwunden, und kein Mensch hat sie jemals wieder gesehen.“
    „Kein Mensch, wirklich keiner?“ fragte der Farmer.
    „Keiner!“ antwortete Winnetou. „Mit dem ‚Himmel‘ und der ‚Sonne‘ gingen die Hoffnungen der roten Krieger verloren, und in Ikwehtsi'pa ist dem Christentum ein Prediger verschwunden, wie es von einem Meer bis zum andern keinen je gegeben hat. Er war ein Freund und Bruder, ein treuer Berater von Intschu tschuna, meinem Vater. Dieser hatte ihn tief in sein Herz geschlossen und hätte viel, sehr viel darum gegeben und gewiß gern sein Leben dafür gewagt, zu erfahren, was für ein Unfall die drei Geschwister hinweggerafft hat, denn nichts anderes als ein Unglück kann schuld daran sein, daß sie verschwunden und nicht wiedergekehrt sind.“
    Der Farmer war den Worten Winnetous mit großer, ja mit auffälliger Aufmerksamkeit gefolgt; jetzt fragte er:
    „Wenn der frühere Häuptling der Apachen so große Opfer dafür gebracht hätte, würde auch der jetzige dazu bereit sein?“
    „Ja, ich bin bereit, im Namen und im Geist meines Vaters zu handeln, dessen Seele den ‚Großen Freund‘ liebte.“
    „So ist es ein wunderbarer, glücklicher Zufall, welcher Euch heut zu mir führte. Ich bin nämlich imstande, Euch Auskunft zu erteilen.“
    Um die große Wirkung dieser Worte zu bezeichnen, brauche ich nur zu sagen, daß Winnetou, dieses Muster von Ruhe und Beherrschung aller seiner Regungen, von seinem Stuhl nicht etwa aufstand, sondern gradezu aufschnellte, wie von einer Spannfeder emporgetrieben, und wie atemlos ausrief:
    „Auskunft geben? Über Ikwehtsi'pa, über Padre Diterico, den wir alle verloren glaubten? Ist das wahr? Ist das möglich? Das kann nur auf einem Irrtum, einer Täuschung beruhen!“
    „Es ist keine Täuschung, sondern Wirklichkeit. Ich kann sichere Auskunft erteilen; aber leider ist es keine so erfreuliche, wie ich wohl wünschte. Er lebt nicht mehr.“
    „Uff! Er ist tot?“
    „Ja.“
    „Und seine Schwestern?“
    „Von denen weiß ich nichts.“
    „Wirklich nichts?“
    „Nein, gar nichts. Auch von ihm weiß ich nichts von allem, was zwischen seinem Verschwinden und seinem Tod geschehen ist; ich kann nicht einmal sagen, wie er ermordet wurde und wer sein Mörder ist.“
    Da gab sich Winnetou einen Ruck, daß sein hinten lang herabfallendes, prächtiges Haar nach vorn über seine Achseln flog und ihm wie ein Schleier das Gesicht bedeckte.
    „Uff, uff!“ ertönte es aus diesem Schleier heraus. „Ermordet ist er worden, ermordet! Ein Mörder hat uns um das kostbare Leben Ikwehtsi'pas gebracht! Ist das wahr? Sag es schnell, sehr schnell!“
    „Es ist wahr!“
    „Beweise es!“
    Der Apache warf sein Haar jetzt mit beiden Händen nach hinten zurück. Seine Augen sprühten Blitze, und sein Mund war geöffnet, als ob er die Antwort des Farmers förmlich trinken wolle.
    „Ich habe sein Grab gesehen“, sagte dieser.
    „Wo? Wann?“
    „Ich werde es erzählen, und bitte den Häuptling der Apachen, sich wieder niederzusetzen und mir ruhig zuzuhören.“
    Winnetou sank langsam in den Sessel zurück, holte laut und tief Atem und sprach, indem er sich mit der Hand über die Stirn strich:
    „Mein weißer Bruder hat recht. Es ziemt sich keines Kriegers, zumal wenn er ein Häuptling ist, sich von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Ich bleibe ruhig, was ich auch hören werde.“
    Harbour nahm einen Schluck aus der Teetasse, welche er vor sich stehen hatte, und erkundigte sich:
    „Ist der Häuptling der Apachen schon einmal oben in dem Park von San Louis gewesen?“
    „Schon mehrere Male“, antwortete der Gefragte.
    „Ist ihm die Gegend der Foam-Kaskade bekannt?“
    „Ja.“
    „Kennt er den lebensgefährlichen Bergpfad, welcher von da aus nach dem Devils-Head führt?“
    „Ich kenne weder den Weg noch den Devils-Head, werde aber beides gewiß finden. Howgh!“
    „Dort oben war es, wo ich den Entschluß faßte, dem wilden Westen und dem wilden Leben zu entsagen. Ich war verheiratet und hatte schon meine beiden ältesten Boys hier, die damals freilich noch sehr unwichtige kleine Kerle waren. Auch hatten wir unser gutes Auskommen; aber wen das Leben des Westens einmal gepackt hat, den gibt es nicht leicht wieder her, und

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