09 - Old Surehand III
zu verlieren, der wird sich kaum darüber wundern, daß der Cheyenne, wenn auch nach längerem Sträuben, sich in die Forderung des Apachen fügte.
„Auch ich habe eine Bedingung zu stellen“, erklärte Treskow.
„Welche?“ fragte ich.
„Die Cheyennes müssen Tibo taka und Tibo wete ausliefern!“
„Daran denkt kein Mensch! Das würde der größte Fehler sein, den wir begehen könnten. Übrigens bin ich überzeugt, daß der Medizinmann gar nicht mehr draußen ist. Er hat, sobald ich den Häuptling in Beschlag nahm, sofort gewußt, was nun die Glocke schlägt, und sich schnell aus dem Staub gemacht. Und das ist mir nur lieb; weshalb, das werdet ihr schon erfahren.“
Über den Friedensbeschluß mit den Cheyennes draußen zu erzählen, würde zu weitab führen; es genügt, zu wissen, daß sie schließlich froh über das unblutige Ende ihres so fehlerhaften Überfalles der Farm waren. Sie ritten um die Mitte des Vormittags fort, und als darauf eine Stunde vergangen war, brachen auch wir auf, Schahko Matto, der seine Waffen wiederbekommen hatte, als freier Mann. Er war grimmig erzürnt darüber, daß der Medizinmann uns wieder entwischt war; Dick Hammerdull aber, der stets Heitere, tröstete ihn:
„Der Häuptling der Osagen mag ihn immer laufenlassen; wir kriegen ihn schon wieder, denn wer gehängt werden soll, der wird gehängt; das ist ein wahres Sprichwort.“
„Es soll nicht gehängt werden, sondern eines zehnfachen Todes sterben!“ knurrte der Osage.
„Ob einfach sterben, ob doppelt oder sechsfach, das bleibt sich gleich; das ist auch ganz egal; er wird aber doch gehängt. Für so einen Kerl gibt es keinen schöneren Tod als den durch den Strick. Nicht wahr, Pitt Holbers, altes Coon?“
„Yes, lieber Dick“, antwortete der Lange. „Du hast doch immer recht!“
ZWEITES KAPITEL
Kolma Putschi
Einen Tag nachdem wir Harbours Farm verlassen hatten, war uns das Unglück beschieden, daß Treskows Pferd stürzte und den Reiter abwarf. Es sprang rasch wieder auf, rannte fort und schleifte Treskow, welcher mit einem Fuß im Bügel hängengeblieben war, neben sich her. Zwar waren wir schnell zur Hand, das Tier zu halten, aber doch schon zu spät, um zu verhüten, daß er mit dem Huf einen Schlag erhielt, der ihn glücklicherweise nicht am Kopf, sondern an der Schulter traf. Die Wirkung dieses Schlages äußerte sich, wie dies zwar selten, aber doch zuweilen vorzukommen pflegt, nicht nur auf die getroffene Stelle, sondern auch auf die ganze betreffende Seite des Körpers. Der Verletzte war auf derselben wie gelähmt; er konnte sogar das Bein kaum bewegen, und es zeigte sich als ganz unmöglich, ihn wieder auf das Pferd zu bringen. Wir konnten nicht weiterreiten.
Zum Glück gab es in der Nähe ein Wasser, wohin wir ihn brachten und nun gezwungen waren, Lager zu machen, auf wie lange, das mußte abgewartet werden.
Winnetou untersuchte ihn. Weder das Schulterblatt noch irgendein Knochen war verletzt, doch hatte die getroffene und sehr geschwollene Stelle eine dunkle Färbung angenommen. Wir konnten uns nur mit kalten Umschlägen und Massage behelfen, welche letztere sich außerordentlich schmerzhaft zeigte, zumal Treskow keine widerstandsfähige Natur besaß und nicht in die Klasse der Westmänner gerechnet werden konnte, welche in der Schule, die hinter ihnen liegt, gelernt haben, Schmerzen lautlos zu ertragen.
Er wimmerte bei jeder Berührung und Bewegung; wir kehrten uns aber nicht daran und hatten den Erfolg, daß die Lähmung wich und er schon am nächsten Tag den Arm und das Bein bewegen konnte. Nach weiteren zwei Tagen hatte sich die Geschwulst fast gesetzt, und die Schmerzen waren so weit gewichen, daß wir weiterreiten konnten.
Wir hatten durch diesen leidigen Fall drei volle Tage eingebüßt, eine Zeit, die wir unmöglich einbringen konnten. Old Surehand vor seiner Ankunft oben im Park noch einzuholen, was wir doch beabsichtigt hatten, das mußten wir nun aufgeben. Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte dies ja nichts zu sagen gehabt; aber er war ganz allein, was schon an und für sich seine großen Bedenken hatte, und sodann befanden sich Leute hinter ihm, denen nicht zu trauen war. Ja, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß der ‚General‘ auch hinauf wollte, und zwar zu derselben Zeit und nach demselben Park, so hätte er sich vor ihm in acht nehmen können; aber er wußte das nicht. Auch dem alten Wabble traute ich nicht. Ich wußte freilich nicht, wohin der alte König der Cowboys mit
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