09 - Old Surehand III
mußte ich arbeiten, daß mir die Schwarte knackte; nebenbei erhielt ich die Prügel für Euch, so ungefähr als das, was man das Dessert, den Nachtisch nennt. Zu danken habe ich Euch also nicht das geringste. Dennoch wollte ich Euch eine große Freude machen. Wir suchten Euch, um Euch unsere Ersparnisse zu schenken, denn wir sind Westmänner, welche kein Geld brauchen. Ihr wäret reich dadurch geworden. Nun wir Euch aber als Tramps als elende, herabgekommene Subjekte finden, soll mich unser Herrgott behüten, dieses schöne und viele Geld, mit welchem wir bessere und würdigere Menschen glücklich machen können, in Eure Hände zu legen. Wir haben uns seit unserer Kindheit hier zum erstenmal wiedergesehen und sind aber auch sofort wieder geschiedene Leute. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß ich niemals wieder den Ärger und die Kränkung haben möge, mit Euch zusammenzutreffen!“
Der sonst so wortkarge Pitt Holbers hatte diese lange Rede in einer so fließenden Weise gehalten, daß ich mich schier wunderte. Das Verhalten des feinsten Gentleman hätte nicht korrekter sein können als das seinige. Das erkannte Dick Hammerdull dadurch an, daß er ihm, ohne eine Pause eintreten zu lassen, eiligst zustimmte:
„Recht so, lieber Pitt, recht so! Du hast mir ganz aus der Seele gesprochen. Wir können bessere Menschen damit glücklich machen. Ich hätte dieselben Worte gesagt, wirklich ganz genau dieselben Worte!“
Einem Fremden hätte der Tramp jedenfalls in anderer Weise geantwortet, nun er aber wußte, daß Pitt sein Verwandter sei, zog er den Spott dem Zorn vor und sagte, indem er dabei höhnisch lachte:
„Wir sind gar nicht neidisch auf die guten, die bessern Menschen, die euer Geld bekommen sollen. Die paar Dollars, die ihr zusammengewürgt haben werdet, brauchen wir nicht. Wir werden ja Millionen besitzen, sobald wir die Bonanza gefunden haben!“
„Wenn ihr sie findet!“ kicherte Hammerdull.
„Freilich nicht wir, sondern Old Shatterhand!“
„Und der zeigt sie euch!“
„Natürlich!“
„Ja, ja! Ich sehe ihn schon, wie er mit dem Zeigefinger auf die Erde deutet und zu euch sagt: Da liegen sie, Klumpen über Klumpen, einer immer größer als der andere. Seid doch ja so gut und nehmt sie heraus! einen größeren Gefallen könnt ihr uns armen Gefangenen gar nicht tun! Dann schießt ihr uns alle über den Haufen, damit wir nichts verraten können, nehmt die Million heraus, kehrt nach dem Osten zurück, deponiert sie auf der Bank, lebt von den Zinsen herrlich und in Freuden wie der reiche Mann im Evangelium und laßt alle Tage Pflaumenkuchen für eure Schnäbel backen. So denke ich mir das, und so wird es auch geschehen. Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?“
„Ja, besonders das mit dem Pflaumenkuchen wird seine Richtigkeit haben“, antwortete Pitt, jetzt wieder in seiner trockenen Weise.
„Redet nicht so dummes Zeug!“ fuhr Hosea die beiden Freunde an. „Es ist doch nur der grimmige Ärger, der Neid, welcher aus euch spricht! Wie gern, wie sehr gern möchtet ihr doch die Bonanza für euch haben! Das ist so selbstverständlich wie nichts anderes in der Welt!“
„Diese Bonanza, grad diese? Oh, die gönnen wir euch von ganzem Herzen! Wir freuen uns schon auf die Augen, die ihr machen werdet, wenn wir an Ort und Stelle sind. Ich habe nur ein Bedenken, ein sehr großes Bedenken bei dieser ganzen Geschichte!“
„Welches?“
„Daß ihr vor lauter Wonne das Zugreifen vergessen werdet.“
„Oh, wenn es nur das ist, so zerbrecht Euch ja nicht den Kopf darüber. Wir lassen nichts liegen, denn das Zugreifen haben wir gelernt!“
„Sehr richtig; wir wissen es!“
„Nicht wahr? Also macht Euch keine Sorge! Jetzt aber muß ich hin zu meinem Bruder, um ihm zu sagen, daß ich den Pitt gefunden habe, den Vetter Pitt, der es nicht zugibt, daß ich ihn du nenne!“
Er trieb sein Pferd vorwärts und ritt, an mir vorüber, nach der Spitze des Zuges, wo sich Joel, der brüderliche Schuft, befand.
„Hättest du das gedacht?“ hörte ich Hammerdull hinter mir fragen.
„Nein!“ antwortete Pitt kurz.
„Saubere Verwandtschaft!“
„Bin großartig stolz auf sie!“
„Höchst ärgerlich!“
„O nein! Ich ärgere mich nicht, weil sie mir höchst gleichgültig sind.“
„Ach, das meine ich nicht!“
„Was denn?“
„Unser Geld.“
„Wieso?“
„Wem schenken wir es nun? Ich mag nicht reich sein; ich mag nicht auf dem Geldsack hocken und vor Angst darüber, daß er mir
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