09 - Old Surehand III
„Indianerwort! Er hat nur etwas sagen wollen und sich selbst nichts dabei gedacht.“
„Well! So mag er die zwei Meilen reiten und dann weitersuchen. Ein roter ‚Krieger‘ mit einem Sattel auf dem Rücken! Zwei feine Kerls! Diese armselige Bande kommt immer mehr herunter!“
Wir ritten nach diesem kurzen Intermezzo weiter. Diese Tramps waren keine Westmänner; aber daß auch Old Wabble die Worte des Roten für bedeutungslos gehalten hatte! Mir an seiner Stelle hätten sie ein solches Mißtrauen eingeflößt, daß ich dem Indsman ganz gewiß nachgeritten wäre, um ihn zu beobachten. Wer solche Antworten nicht als Warnung oder Winke nimmt, der ist den Gefahren des wilden Westens nicht gewachsen.
Wir waren noch nicht weit geritten, als es wieder eine Begegnung gab, und zwar eine für uns sehr wichtige, auf welche, wenigstens heut, keiner von uns gefaßt war und die uns infolgedessen im höchsten Grad überraschend kam.
Wir ritten an einem schmalen Buschstreifen hin, welcher sich wie ein geschlängeltes Band über die Savanne zog, und hatten das Ende desselben erreicht, als wir zwei Reiter sahen, welche mit einem Packpferd, von rechts herüberkommend, auf uns stoßen mußten. Da sie uns auch schon gesehen hatten, gab es kein Verbergen, weder von ihrer noch von unserer Seite. Wir ritten also weiter und sahen, daß der eine Reiter sein Gewehr zur Hand nahm, wie es immer geschieht, wenn es sich um ein Zusammentreffen mit Fremden handelt.
Als wir ungefähr noch dreihundert Schritte entfernt von ihnen waren, hielten sie an, sichtlich in der Absicht, uns vorüberzulassen, ohne von uns angeredet zu werden. Old Wabble aber sagte:
„Die wollen nichts von uns wissen, also reiten wir grad hin zu ihnen!“
Dies geschah. Wir waren nur eine kurze Strecke weitergeritten, so hörte ich hinter mir mehrere laute Ausrufe.
„Uff, uff!“ ertönte Schahko Mattos Stimme.
„Uff!“ rief nur einmal Apanatschka, aber um so ausdrucksvoller. Seine Überraschung mußte eine große sein.
Jetzt sah ich schärfer hin, als ich es bisher getan hatte, und war ebenso erstaunt wie diese beiden. Der Reiter mit dem Gewehr in der Hand war nämlich der weiße Medizinmann der Naiini-Komantschen, unser vielbesprochener Tibo taka, und der andere konnte niemand als nur seine rote Squaw, die geheimnisvolle Tibo wete sein. Ein Packpferd hatten sie ja auf Harbours Farm auch bei sich gehabt.
Der Medizinmann wurde unruhig, als er sah, daß wir nicht grad weiterritten, sondern auf ihn zukamen. Doch nur für einige Augenblicke; dann trieb er uns sein Pferd entgegen und rief, indem er die Hand durch die Luft schwenkte:
„Old Wabble, Old Wabble! Welcome! Wenn Ihr es seid, so habe ich nichts zu fürchten, Mr. Cutter!“
„Wer ist der Kerl?“ fragte der alte Cowboy. „Ich kenne ihn nicht.“
„Ich auch nicht“, antwortete Cox.
„Werden ja sehen, wenn wir bei ihm sind.“
Old Wabble war an seiner ungeheuer hageren und langen Gestalt und noch mehr an seinem weit herabhängenden weißen Haar, von welchem er freilich gestern die Hälfte durch das Feuer verloren hatte, schon von weitem zu erkennen. Als wir näher kamen, erkannte der Medizinmann auch uns. Er wußte zunächst nicht, ob er fliehen oder bleiben solle, als er aber sah, daß wir gefesselt waren, schrie er vor Freude förmlich auf:
„Old Shatterhand, Winnetou, Schahko Matto und – und – und –“ er wollte den Namen seines angeblichen Sohnes doch nicht nennen „– und ihre Kerls, alle gebunden! Das ist ja ein wunderbares, ein ganz wunderbares Ereignis, Mr. Cutter! Wie hat sich das zutragen können? – Wie habt Ihr das zustande gebracht?“
Jetzt hatten wir ihn erreicht, und da fragte Old Wabble:
„Wer seid Ihr denn eigentlich, Sir? Ihr kennt mich? Es ist mir zwar, als ob ich Euch auch kennen sollte, aber ich kann mich nicht besinnen.“
„Denkt doch an den Llano estacado!“
„Wo und wie und wann denn da?“
„Als wir Gefangene der Apachen waren.“
„Wir! Wer ist da gemeint?“
„Wir Komantschen.“
„Was? Wie? Ihr zählt Euch zu den Komantschen?!“
„Damals, ja, aber jetzt nicht mehr.“
„Und sagtet soeben, daß Ihr jetzt nichts zu fürchten hättet?“
„Ganz recht! Ihr könnt ja unmöglich Freund meiner Feinde sein, denn Ihr habt damals Old Shatterhands Gewehre gestohlen und seid der Kamerad des ‚Generals‘ gewesen. Und auf Harbours Farm erfuhr ich von Bell, dem Cowboy, daß Ihr wieder einen bösen Zusammenstoß mit Winnetou und Old Shatterhand
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