09 - Old Surehand III
also über alles andere hinweg und in ihm nur den Leidenden sehen. Was Ihr dabei, von ihm ganz abgesehen, für eine unendlich traurige und doch zugleich lächerliche Rolle spielt, das wird Euch baldigst unter die Nase gerieben werden; darauf könnt Ihr Euch verlassen!“
„Etwa von Euch?“
„Ob von mir oder von anderer Seite, das bleibt sich gleich, wie unser Hammerdull zu sagen pflegt. Ich meine nur im allgemeinen, daß für jeden Menschen einmal die Stunde schlägt, in welcher mit ihm abgerechnet wird, für Euch und mit Euch also auch! Kommt!“
Meine Kameraden wollten mich zurückhalten; sie zankten sich geradezu mit mir, am meisten Treskow; ich ließ sie schließlich aber denken und sagen, was sie wollten, wurde vom Pferd gebunden und ging zu Cutter hin. Er machte die Augen zu, um mich nicht sehen zu müssen. Man hatte mir natürlich die Hände freigegeben. Der Armbruch war ein doppelter und bei seinem Alter fast unheilbarer und sehr gefährlicher.
„Wir müssen fort von hier“, entschied ich, „denn wir brauchen Wasser. Wir haben aber nicht weit zu reiten, denn der Fluß ist in der Nähe. Reiten wird er können; es ist ja bloß der Arm verletzt.“
Cutter ließ eine ganze Reihe von Flüchen hören und schwor Apanatschka die grauenhafteste Rache zu.
„Ihr seid wirklich nicht mehr unter die Menschen zu rechnen!“ unterbrach ich ihn. „Reicht denn Euer Verstand wirklich nicht hin, um einzusehen, daß Ihr Euch alles selbst zuzuschreiben habt?“
„Nein; dazu reicht er wirklich nicht!“ höhnte er.
„Hättet Ihr den Komantschen nicht herausgefordert, so wäret Ihr nicht von ihm vom Pferd geritten worden.“
„Aber mußte ich dabei den Arm brechen?!“
„Auch daran seid Ihr selber schuld.“
„Wieso denn? Ich bin begierig darauf, wie Eure große Weisheit mir das erklären wird.“
„Euer Arm wäre heil geblieben, wenn Ihr mir nicht meine Gewehre genommen hättet.“
„Wie kommen die Gewehre mit dem Armbruch in Verbindung?“
„Ich sah ganz deutlich, wie Ihr vom Pferd gerissen wurdet; Ihr hattet sie umhängen; beim Aufschlag auf die Erde kam Euer Arm zwischen sie, und da hatten sie die Wirkung zweier Brechstangen; daher auch der Doppelbruch. Hättet Ihr Euch nicht mit meinem Eigentum befaßt, so wäret Ihr heil vom Boden aufgestanden.“
„Das sagt Ihr nur, um mich zu ärgern. Pshaw!“
„Nein; es ist die Wahrheit, ganz gleich, ob Ihr es glaubt oder nicht.“
„Ich glaube, was ich will, und nicht, was euch gefällt! Jetzt werdet Ihr wieder gebunden, und dann geht es nach dem Fluß. Verdammt sei dieser Fremde mit seinem Weib! Wären sie nicht gekommen, so hätte das alles nicht geschehen können! Und da soll es eine Vorsehung, einen Gott geben, der nicht besser auf seine Menschen Achtung gibt!“
Also selbst jetzt konnte sich dieser schreckliche Mensch nicht enthalten, Gott zu leugnen oder vielmehr zu lästern! Ich ließ mich bereitwillig wieder anbinden, obgleich ich so schöne Gelegenheit gehabt hätte, zu entfliehen. Als ich beim alten Wabble stand, war ich vollständig frei gewesen. In der Nähe lagen meine Gewehre noch an der Erde, und mein Rappe wartete auf mich. Es wäre das Werk einer halben Minute gewesen, mit den Waffen auf das Pferd und dann fortzukommen. Aber was dann? Ich wäre natürlich dann dem Zug gefolgt, um die Gefährten des Nachts zu befreien; aber die Tramps hätten das vorausgesehen und sie mit zehnfacher Aufmerksamkeit bewacht. Jetzt aber waren sie ahnungslos, und so mußte uns heut abend unsere Befreiung durch Kolma Putschi viel, viel leichter werden. Darum hatte ich diese Gelegenheit zur Flucht so unbenutzt vorübergehen lassen.
Apanatschka befand sich neben der Squaw und sprach mit ihr, ohne allen Erfolg. In der Nähe hielt Thibaut und beobachtete sie mit verhaltenem Zorn; er getraute sich nicht, dem Komantschen hinderlich zu sein. Die ihm von mir erteilte Lehre hatte gewirkt. Selbst als ich jetzt zu ihnen hinritt, sagte er nichts, machte sich aber noch näher herbei. Ich hörte zu; es waren die gewöhnlichen Worte, welche Apanatschka aus ihr herausbrachte, sonst nichts.
„Ihr Geist ist fort und will nicht wiederkommen!“ klagte er. „Der Sohn kann nicht mit seiner Mutter sprechen; sie versteht ihn nicht!“
„Laß es mich einmal versuchen, ob ihre Seele zurückzurufen ist!“ forderte ich ihn auf, indem ich auf ihre andere Seite ritt.
„Nein, nein!“ rief Thibaut. „Old Shatterhand darf nicht mit ihr reden; ich dulde das nicht.“
„Ihr
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