09 - Old Surehand III
ist! Da ist Winnetou noch der wahre, reine Engel dagegen! Also erschießt ihn; erschießt ihn ja!“
„Was das betrifft, so könnt Ihr sicher sein, daß Euer Wunsch in Erfüllung geht!“ versicherte Old Wabble. „Er oder ich! Von uns zweien hat nur einer Platz auf der Erde, und da ich dieser eine bin, so ist er der andere, der weichen muß. Ich schwöre alle möglichen Eide darauf!“
„So macht's nur bald und kurz mit ihm, sonst geht er Euch noch durch!“
Die Squaw war indessen, sich durch nichts, auch durch den Schuß nicht stören lassend, nach dem Busch geritten, hatte einige Zweige abgebrochen, sie kranzförmig zusammengewunden und sich um den Kopf gelegt. Jetzt kam sie zurück, lenkte ihr Pferd zum ersten besten Tramp, der ihr der nächste war, und sagte, nach dem Kopf deutend:
„Siehst du, das ist mein Myrtle-wreath! Dieses Myrtle-wreath hat mir mein Wawa Derrick aufgesetzt!“
Da vergaß der frühere Komantsche mich und eilte auf sie zu, aus Angst, daß sie durch ihre Reden eines seiner Geheimnisse verraten könnte. Ihr mit der Faust drohend, rief er ihr zu:
„Schweig, Verrückte, mit deinem Unsinn!“ Und sich an die Tramps wendend, erklärte er: „Das Weib ist nämlich wahnsinnig und redet Dinge, welche einem auch den Kopf verdrehen können.“
Er erreichte bei ihnen seinen Zweck, hatte seine Aufmerksamkeit aber dann gleich auf einen andern, nämlich auf Apanatschka zu wenden. Dieser hatte bis jetzt die schon beschriebene Ruhe und Unbeweglichkeit einer Bildsäule bewahrt; nun aber ritt er, als er die Squaw sprechen hörte, zu ihr hin und fragte sie:
„Kennt mich Pia (Komantsche; ‚Meine Mutter‘, vom Sohne angeredet) heut? Sind ihre Augen offen für ihren Sohn?“
Sie sah ihn traurig lächelnd an und schüttelte den Kopf. Dennoch fuhr Tibo taka sofort auf Apanatschka los und herrschte ihm zu:
„Was hast du mit ihr zu reden? Schweig!“
„Sie ist meine Mutter“, antwortete Apanatschka ruhig.
„Jetzt nicht mehr! Sie ist eine Naiini, und du hast den Stamm verlassen müssen. Ihr geht einander nichts mehr an!“
„Ich bin Häuptling der Komantschen und laß' mir von einem Weißen, der sie und mich betrogen hat, nichts befehlen. Ich werde mit ihr sprechen!“
„Und ich bin ihr Mann und verbiete es!“
„Verhindere es, wenn du kannst!“
Tibo taka wagte es nicht, sich an Apanatschka, obgleich dieser gefesselt war, zu vergreifen; er wendete sich an Old Wabble:
„Helft mir, Mr. Cutter! Ihr seid der Mann, dem ich Vertrauen schenke. Er, mein früherer Pflegesohn, ist es, wegen dem meine Frau wahnsinnig geworden ist. Sooft sie ihn sieht, wird es mit ihr schlimmer. Er mag sie in Ruhe lassen. Also, helft mir, Sir!“
Old Wabble war wohl eifersüchtig darauf, daß Cox sich als Anführer bezeichnet hatte; jetzt bot sich ihm eine willkommene Gelegenheit, zu zeigen, daß er auch etwas zu sagen habe; er ergriff dieselbe und wies Apanatschka in befehlendem Ton zurück:
„Mach, daß du wegkommst von ihr, Roter! Du hast gehört, daß sie dich nichts angeht. Weg also; packe dich!“
In diesem Ton mit sich sprechen zu lassen, das lag Apanatschka freilich fern. Er maß den alten Cowboy mit einem verächtlichen Blick und fragte dann:
„Wer spricht da zu mir, dem obersten Häuptling der Komantschen vom Stamme der Kanean? Ist's ein Frosch, welcher quakt, oder eine Krähe, welche schreit? Ich sehe niemand, der mich hindern könnte, mit der Squaw zu sprechen, welche meine Mutter war!“
„Oho! Frosch! Krähe! Drücke dich höflicher aus, Bursche, sonst wirst du erfahren, wie man einen König der Cowboys zu achten hat!“
Er drängte sich mit seinem Pferd zwischen Apanatschka und die Frau. Der Komantsche wich einige Schritte zurück und lenkte sein Pferd auf die andere Seite; der Alte folgte ihm auch dorthin. Apanatschka ritt weiter, Old Wabble auch. So bewegten sie sich in zwei Kreisen um die Frau, und zwar derart, daß sie den Mittelpunkt bildete, den Cutter stets gegen den Komantschen deckte. Dabei hielten sich die beiden fest in den Augen.
„Laßt das sein, Cutter!“ rief Cox diesem zu. „Laßt das Vater und Sohn miteinander abmachen! Euch geht es doch gar nichts an!“
„Ich bin zur Hilfe aufgefordert worden!“ antwortete der Alte.
„Seid Ihr der Anführer, oder bin ich es?“
„Ich bin es, denn ich habe Euch engagiert!“
„Und das glaubt Ihr durchzusetzen?“
„Yes, sehr! Einen Roten, der noch dazu gefesselt ist, werde ich schon im Zaum halten können!“
„Gefesselt?
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