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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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hatte.«
    Bischof Forbassach schaute zu Schwester Étromma hinüber.
    »Tritt vor, Schwester. Stimmt das?«
    Schwester Étromma hatte offensichtlich Angst vor Bischof Forbassach und warf auch einen furchtsamen Blick auf die Äbtissin, als sie sich erhob.
    »Ich begleitete die Schwester zum Gästehaus, und sie beugte sich über die Matratze und hielt mir dann diese Gegenstände hin.«
    »Hast du wirklich gesehen, wie sie sie gefunden hat?« forschte der Brehon.
    »Sie stand mit dem Rücken zu mir und drehte sich dann vom Bett weg und zeigte sie mir.«
    »Also kann sie die Gegenstände bei sich gehabt und nur so getan haben, als ob sie sie fände?« vermutete Bischof Forbassach befriedigt. »Die Beweise können nicht anerkannt werden.«
    Fidelma war empört.
    »Ich protestiere! Als dálaigh habe ich geschworen, dem Recht zu dienen, und deine Unterstellung verletzt meine Ehre!«
    »Als Brehon habe ich denselben Eid geschworen, und trotzdem wagst du es, meine Urteile anzufechten!« fauchte Forbassach. »Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Fahre fort mit deinem Plädoyer.«
    Fidelma schluckte schwer und bemühte sich, ihre Gefühle zu meistern. Wenn sie die Beherrschung verlor, nützte das niemandem, am wenigstens Eadulf.
    »Zweitens wurde Bruder Eadulf aus dem Schlaf gerissen, mißhandelt und in eine Zelle geschafft, ohne daß ihm gesagt wurde, wessen er beschuldigt wurde. Er wurde zwei Tage in der Zelle ohne Essen und Trinken gelassen. Erst als Forbassach kam und ihm erklärte, welches Verbrechen ihm zur Last gelegt wurde, erfuhr er, weshalb er in Haft war. Kein Anwalt, kein dálaigh, wurde zu seiner Verteidigung bestellt, ihm wurde auch nicht gestattet, die Beweise zu prüfen. Er wurde nur gefragt, ob er sich schuldig bekenne.«
    »Wenn er unschuldig gewesen wäre, hätte er seine Beweise vorlegen können«, murrte Bischof Forbassach. »Alles, was du vorbringst, beruht lediglich auf der Aussage des Angelsachsen. Diese Behauptungen werden zurückgewiesen. Sprich weiter.«
    Fidelma fuhr hartnäckig fort.
    »Dann kommen wir zu den Unregelmäßigkeiten in den Zeugenaussagen. Schwester Étromma trat auf und identifizierte das tote Mädchen. Wie konnte sie es identifizieren, wenn sie es noch nie gesehen hatte, ehe sie die Leiche erblickte? Ihr war gesagt worden, es handle sich um eine Novizin der Abtei. Aber sie wußte das nicht aus eigener Kenntnis.«
    »Die Vorsteherin der Novizinnen hatte es ihr gesagt.«
    »Die war bereits auf einer Pilgerfahrt. Selbst wenn es so war, du kennst das Gesetz, Forbassach. Sie kannte das Mädchen nicht aus eigener Erfahrung. Étrommas Aussage war nach den Regeln des Verfahrens ungültig.«
    »Darüber entscheidet der Richter«, erwiderte Bischof Forbassach knapp. »Ich hielt die Frage der Identifizierung nicht für wichtig. Solange das Mädchen überhaupt identifiziert wurde, war es gleichgültig, von wem.«
    »Wir sprechen von den Regeln des Verfahrens«, antwortete Fidelma. »Aber kommen wir zum nächsten Zeugen – dem Arzt, Bruder Miach, der die Leiche untersuchte. Er schwor, daß das Mädchen vergewaltigt worden sei. Gewiß, es war eine Jungfrau, die kurz vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Soviel hätte er uns als Arzt sagen sollen. Aber unser Arzt fügte seinem Untersuchungsergebnis noch eine Meinung hinzu, und die lautete, daß das Mädchen vergewaltigt worden war. Nun behaupte ich nicht, daß es nicht so ist, aber eine Meinung ist kein Beweis und hätte nicht als solcher angenommen werden dürfen. Die Untersuchung kann nicht zweifelsfrei feststellen, welche Art von Geschlechtsverkehr vor dem Tode des Mädchens stattgefunden hat. War es das Verbrechen des focloir oder des sleth, war es gewaltsame Vergewaltigung oder Vergewaltigung durch Überredung? Darauf hätte hingewiesen und das hätte erwogen werden müssen.
    Nun weiter zur Aussage von Schwester Fial, der Hauptzeugin – einer Augenzeugin. Sie sagt, sie sei eine Freundin des toten Mädchens. Sie traten zusammen als Novizinnen in die Abtei ein. Beide hatten noch nicht das Alter der Wahl erreicht. Schwester Fial erklärt, sie hätte mit dem toten Mädchen verabredet, sich mit ihm an dem Kai außerhalb der Abtei zu einer Zeit zu treffen, die deutlich nach Mitternacht gelegen haben muß. Bei der Verhandlung hat niemand sie gefragt, warum und zu welchem Zweck. Ist es nicht seltsam, daß zwölf oder dreizehnjährige Novizinnen zu dieser Nachtzeit außerhalb der Abtei am Kai herumwandern? Hat man diese wichtigen

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