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0901 - Die Zweidenker

Titel: 0901 - Die Zweidenker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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einen solchen Zwischenfall."
    „Geh aus dem Weg, Pender! Überlaß uns den Spion!"
    „Wer sagt, daß dieser Loower ein Spion ist? Er kann ebensogut ein harmloser Wanderer sein, der sich verirrt hat und nicht mehr zu seinem Stützpunkt zurückfindet."
    „Ein harmloser Wanderer, daß ich nicht lache!"
    Ich wußte längst schon, was lachen war, aber der Sprecher machte keine Anstalten dazu, weder mimisch noch akustisch. Es war wohl nur eine Redewendung.
    Die Terraner stritten weiter über mein Schicksal. Dabei bildeten sich zwei Parteien. Jene Gruppe, die mein Leben forderte, war dabei in der Minderheit, und schließlich behielten die Vernünftigen die Oberhand.
    Die anderen zogen schimpfend und Drohungen ausstoßend in Richtung der Siedlung. „Komm, Loower", sagte der Terraner, der von Anfang an Partei für mich ergriffen hatte. „Wir bringen dich auf meine Farm. Dort bist du vorerst in Sicherheit."
    Obwohl ich ihn verstand, stellte ich mich dumm und reagierte erst, als er mir durch einige unmißverständliche Gesten zu verstehen gab, daß ich ihm folgen sollte. „Wir begleiten dich besser, Pender", bot einer der anderen sich an, und so setzten wir uns zu neunt - was ich trotz Ablehnung der loowerisehen Symbolik als gutes Omen ansah - in Bewegung: acht Terranef und ich, ein Loower, der sich angeblich zu weit von der Neunturmanlage entfernt hatte und nicht mehr zurückfand.
    Wir erreichten „Penders Farm" lange nach Einbruch der Nacht. Sie bestand aus einem großen, schmucklosen Gebäude in Fertigteilbauweise und einigen kleineren Gebäuden dahinter.
    Auf eines dieser kleineren Häuser hielten wir zu. „Wie lange willst du ihn in deinem Speicher einsperren, Pender?" fragte einer der Begleiter. „Und wie soll es weitergehen?"
    „Der Loower ist mein Gast, kein Gefangener", erklärte der Terraner, der Pender hieß und der Besitzer des Anwesens war. „Wenn seine Artgenossen ihn suchen, werde ich ihn an sie übergeben. Im anderen Fall werde ich morgen die Behörden verständigen.
    Sie werden schon wissen, was zu tun ist. Mir geht es vor allem darum, ihn vor Lynchjustiz zu bewahren."
    „Wenn du meine Hilfe brauchst, stehe ich dir zu Verfügung, Pender."
    „Ich auch."
    „Ich auch."
    Ich ließ mich widerstandslos in das Gebäude sperren, das, wenn ich die Bedeutung des Wortes „Speicher" richtig einschätzte, eine Art Vorratskammer zu sein schien. Aber im Augenblick war das Innere leer. Als der Terraner Pender die Beleuchtung einschaltete, schloß ich geblendet die Augen und zog die Fühler ein. „Ich habe gehört, daß die Loower oranges Licht bevorzugen", sagte einer der Begleiter. „Es wurde in den Nachrichten erwähnt Du solltest die Beleuchtung lieber ausschalten."
    Pender befolgte den Ratschlag, und ich war ihm dankbar dafür. Die Terraner zogen sich zrück und ließen mich allein. Im Fortgehen hörte ich einen von ihnen noch sägen: „Es würde mich interessieren, ob die Loower mit einem von uns auch solche Umstände machen würden."
    Ich hätte ihm versichern können, daß sie das gewiß machen würden, aber das ging nicht, weil mein Übersetzungsgerät nur einseitig arbeitete.
    Und das war vermutlich auch gut so.
    Allein gelassen, dachte ich über die bei diesem ersten Kontakt gemachten Erfahrungen nach. Schon in dieser kleinen Gruppe von nicht viel mehr als drei mal neun Personen hatte es sich gezeigt, daß die Terraner Individualisten waren. Ihre gegenteiligen Meinungen prallten oft hart aufeinander. Und im großen Maßstab trat dies zweifellos noch eklatanter zutage. Warum sollte es dann in diesem Milliardenvolk nicht auch einen geben, der sich in einer existenzbestimmenden Frage dem Willen der anderen widersetzte.
    Nach diesem Zwischenfall wollte ich den verantwortlichen Terranern gerne glauben, daß sie nicht in der Lage waren, das Auge an mein Volk zu übergeben, weil ein Außenseiter sich seiner bemächtigt hatte und es für sich persönlich beanspruchte.
    Obwohl Hergo-Zovran die Vorfälle übermittelt bekommen und quasi miterlebt hatte, bezweifelte ich, daß er dieselben Schlüsse wie ich daraus zog. Wiewohl er ein Zweidenker war, dachte er in viel zu starren Bahnen - oder vielleicht tat er es gerade deswegen, weil er ein Zweidenker war.
    Wie auch immer, schließlich war es meine Aufgabe, die Terraner kennen und auch besser verstehen zu lernen.
    Ich sah mich als Wesen zwischen zwei Welten, das weder dahin noch dorthin gehörte. Aber gerade das war womöglich meine Stärke.
    Ich fühlte mich

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