0904 - Ein teuflischer Verführer
Eine Tür, die schon mehr den Namen Portal verdiente, verwehrte uns noch den Eintritt. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, ob wir hier nicht falsch waren, denn der Teufel haßte die Kirchen ebenso wie das Weihwasser. Er wollte sie zerstören, er würde sich immer freuen, wenn jemand ein Gotteshaus entweihte. Auf der anderen Seite hatten wir schon des öfteren erlebt, daß gerade Kirchen mißbraucht worden waren, und so konnte es auch hier sein.
Jedenfalls zögerten wir nicht länger, und Suko war es, der das schwere Portal öffnete und im Innern der Kirche verschwand. Ich folgte ihm. Schon nach wenigen Schritten blieben wir neben dem Taufbecken im Halbdunkel stehen, und ich bekam mit, wie mein Freund hörbar die Luft durch die Nase einsaugte.
»Ist was?«
»Riechst du nichts?«
»Im Moment nicht.«
»Aber ich, John, und ich kann mich auf meine Nase verlassen. Wenn mich nicht alles täuscht, riecht es hier nach Blut…«
***
Es ist aus! Es ist alles aus! schoß es Vera Tanner durch den Kopf. Ausgerechnet Sinclair und Suko, von denen ihr Onkel schon des öfteren gesprochen hatte. Die beiden waren bekannt. Man nannte sie auch die Geisterjäger, aber ein anderer Ausdruck wäre treffender gewesen.
Für Vera waren die beiden nichts anderes als zwei Bluthunde, die, hatten sie einmal eine Fährte aufgenommen, nicht eher ruhen würden, bis sie das Ende erreicht hatten. Und hier gab es eine Fährte, denn Vera wußte genau, daß sie ihnen nichts hatte vormachen können. Es war ihnen aufgefallen, daß sie gelogen hatte. Mit Worten war sie in die Enge getrieben worden, und jetzt kam sie nicht mehr heraus.
Was tun?
Die beiden waren verschwunden. Sie würden in der Kirche nachsehen, sie würden sich auch noch weiterhin in der Umgebung umschauen, und sie wußte nicht, wohin sich Lou Ryan abgesetzt hatte.
Sie wußte auch nicht, was mit Alex Preston war und ob er es geschafft hatte, Lou zu stellen. Wenn ja, dann würde er gegen ihn keine Chance haben. Lou war einfach besser, er war nicht perfekt, nur eben besser, und das würde Alex bitter zu spüren bekommen.
Sie war aufgestanden. In ihrem Büro ging sie auf und ab. Dabei hatte sie den Blick gesenkt, als könnten ihr die Spitzen der Schuhe Auskunft über das Problem geben.
Ich kann nicht bleiben, dachte sie. Ich kann auf keinen Fall bleiben. Sollten die Polizisten fündig werden, würden sie zurückkommen und sie erst richtig in die Mangel nehmen.
Vera Tanner blieb stehen. Sie schaute zur Decke, als wollte sie dort die schwarzen Punkte zählen, die der Fliegendreck hinterlassen hatte. Ich muß etwas tun, dachte sie, und es hat keinen Sinn, wenn ich hier im Büro bleibe und auf die beiden warte.
Also verschwinden.
Ab nach Hause.
Und dann?
Sie wußte es nicht. Aber irgendwie würde es schon weitergehen, und sie wußte auch, wo sie Lou erreichen konnte. Er hatte es geschafft, sie in seinen Bann zu ziehen. Sie war mit ihm ins Bett gegangen, sie hatte sich ihm hingegeben, und jetzt war es seine Pflicht, auch für sie zu sorgen und sie in Sicherheit zu bringen.
Viel mitnehmen mußte Vera nicht. Nur ihre Tasche, in der auch die Wagenschlüssel steckten.
In der folgenden Sekunde hatte sie schon zugegriffen, zog auch ihre Jacke über und verließ das Büro. Daß gerade in diesem Moment das Telefon tutete, störte sie nicht. Der Anrufer sollte sich zum Teufel scheren, sie jedenfalls würde er nicht mehr erwischen.
Der Pastor schlief oder lag wach im Bett, es war egal. Er sollte sehen, wie er allein mit seinen Problemen fertig wurde. Sie eilte durch den Flur und zog die Tür auf.
Es war nichts Verdächtiges zu sehen. Sinclair und Suko waren verschwunden. Sie würden die Kirche durchsuchen, und das dauerte sicherlich etwas länger.
Vera Tanner nutzte die Zeit. Sehr bald schon hatte sie ihren Fiesta erreicht, schloß ihn auf und war erleichtert, als sie hinter dem Lenkrad saß und starten konnte.
Dabei hatte sie das Gefühl, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und in ein neues hineinzugleiten…
***
Alex Preston atmete tief durch, als er wenige Schritte nach vorn gegangen war und sich jetzt fühlte, als gehörte er zum Inventar der Kirche. Er war nicht angegriffen worden, und die erste große Spannung war verschwunden.
Er kannte die Kirche. Nicht zum erstenmal hatte er sie betreten, und er hatte immer das Gefühl gehabt, so etwas wie einen Schutz zu erleben, wenn er in diesem Gotteshaus stand. Da waren die dicken Mauern, die matten Fenster, durch die zumeist nur
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