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0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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der unmittelbare Kontakt, die visuelle Nähe zu der Person nicht, die -«
    »Ich spreche von meiner Form der Hypnose«, unterbrach ihn Arsenius Hall milde. »Du kennst noch nicht alle meine Gaben. Ein Meister, der keine Geheimnisse vor seinem Adepten hätte, wäre kein Meister.«
    Bewundernd schaute Twist zu ihm auf. Er war erst sechzehn Jahre alt und noch nicht voll ausgewachsen. Zudem war sein Lehrer von beeindruckender Statur, die von seiner verwegenen Kleidung noch unterstrichen wurde: ein schwarzer, knöchellanger Mantel aus glänzendem Leder, Stulpenstiefel aus dem gleichen Material, ein großkrempiger Hut, ein rüschenverziertes Leinenhemd und eine dicke Hose, die von einem Gürtel gehalten wurde, dessen schwere Schnalle sofort ins Auge stach; das Symbol darauf löste tagtäglich ein seltsames Gefühl in Twist aus, wenn er es betrachtete. Was es bedeutete, hatte sein Meister ihm noch nicht verraten, ohne ihm dafür eine Begründung zu liefern. Es sah aus wie eine stilisierte Blüte. Oder eine Sonne, von der Strahlen abgingen.
    »Sei so nett«, sagte Arsenius Hall und nickte zu der Ascheanhäufung hin. »Du weißt, worum ich dich gebeten habe.«
    Twist nickte. Sein magerer Körper setzte sich in Bewegung. »Wir werden heute einen Vampir zur Strecke bringe«, hatte der Meister ihm angekündigt, bevor sie zu dem im Allgemeinen nur spärlich besuchten Friedhof aufgebrochen waren. »Und sobald er zerfallen ist, wirst du für mich die Überreste bergen - traust du dir das zu, mein Gehilfe?«
    Twist hatte dies eilig versichert. Doch jetzt wurden ihm die Knie weich, während er auf die Vampirasche zuschritt - gerade so, als ginge davon immer noch eine reale Gefahr aus.
    Der Adept schloss dies nicht aus; aber letztlich obsiegte sein Stolz. Die Augen des Meisters verfolgten jede seiner Bewegungen. Ihn zu enttäuschen, wäre das Letzte auf Erden gewesen, was Twist wollte.
    So sorgsam es seine zitternden Hände zuließen, schaufelte er die Ascheflocken in den mitgebrachten Lederbeutel. Kniend schaute er auf. »Ist das genug?«
    »Wenn du alles hast?«
    Twist nickte zögerlich. Wirklich restlos alles aufzusammeln, war auf dem sandigen Untergrund gar nicht möglich, nicht einmal mit einem Handfeger und einer Schaufel wäre dies zu schaffen gewesen, es sei denn, man hätte auch die oberste Bodenschicht mitgenommen. Aber er hatte sich bemüht, so viel Asche wie möglich aufzunehmen.
    »Bemühen allein reicht nicht immer«, sagte Arsenius Hall in diesem Moment, so als könnte er Twist' geheimste Gedanken lesen. »Aber warte, ich helfe dir…«
    Ohne dass der Meister seinen Platz verließ, erhoben sich plötzlich die verbliebenen Aschereste wie von einem Windstoß erfasst vom Boden, schwebten einen Moment wie eine aufgewirbelte Staubwolke in der Luft… und fuhren dann mit einem seufzerähnlichen Geräusch in den Ledersack.
    Vor Schreck hätte Twist ihn beinahe fallen gelassen.
    Arsenius Hall lachte freundlich. »Komm jetzt. Ich will nach Hause. Du ahnst nicht, wie neugierig ich darauf bin, was sich mit dieser Asche alles anstellen lässt…«
    Twist stand immer noch unter dem Eindruck des Erlebten. Dennoch gelang es ihm, seine Fassung wiederzuerlangen. Er verschnürte den Beutel und band ihn sich an den Gürtel. Dann rannte er seinem Meister hinterher, der bereits dem Ausgang entgegenstrebte.
    ***
    Der Friedhof hatte trotz der eigentlich idealen Tageszeit keine normalen Besucher. Dafür hatte Arsenius Hall gesorgt. Kurz vor Betreten hatte er sich in sich zurückgezogen, in seinen Kraftkern , wie er es nannte, und sich gewünscht, dass alle, die sich gerade auf dem Gelände aufhielten, diesen Ort sofort verlassen und nicht vor dem Abend zurückkehren sollten. Gleichzeitig hatte er eine unsichtbare Aura um das Gelände gelegt, die potenzielle Besucher im letzten Moment davon abbrachte, die Gräberreihen zu betreten - ihnen würde eine dringendere Angelegenheit einfallen, die keinen Aufschub duldete.
    Auch diese zweite Maßnahme würde bis zum Abend ihre Wirkung eingebüßt haben.
    Um so erstaunter war Arsenius Hall, als er durch das Tor in der Friedhofsmauer trat und…
    ... sich einem ganzen Bataillon von Männern gegenübersah, die den Eindruck erweckten, als hätten sie den Totenacker umzingelt - und nur auf ihn gewartet.
    Twist schrie leise auf. Hall blieb einfach stehen, und nicht einmal jetzt verlor er seine Ruhe. Die Männer waren in einheitliches Schwarz gekleidet, und obwohl es keine erkennbaren Rangabzeichen kam,

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