Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
Vom Netzwerk:
ist mehr Mär als ratsame Maßnahme.«
    »Ach? Warum?«
    »Weil das Gift den, der es aussaugt, gegebenenfalls selbst umbringt. Über die Mundschleimhaut. So schnell kann man gar nicht spucken, als dass -«
    »So, so«, unterbrach sie ihn. »Du verknöcherter Pragmatiker! Wo bleibt da die Romantik? Würdest du mich nicht vor dem Schlangengifttod bewahren?«
    »Doch«, versicherte er. »Aber anders.«
    Sie blieb hartnäckig. »Wie?«
    »So wie du es gerade ohne Schlangenbiss geübt hast.« Er lächelte. »Die Wunde aufschneiden und auspressen, danach desinfizieren.«
    Ihre Miene verfinsterte sich - sie konnte eine begnadete Schauspielerin sein. »Damit hast du dich aus meinem Herzen verabschiedet. Geh jetzt. Hol dein blödes Pflaster!« Sie machte mit der Rechten eine scheuchende Handbewegung.
    »Aber Chérie…« Lachend erhob sich Zamorra. »Du wirst mir doch noch einmal vergeben?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Im Gehen wandte sich Zamorra noch einmal um. »Für wen sind die Geschenke jetzt wirklich?«
    »Das sagte ich doch: für mich.«
    »Für dich? Seit wann beschenkst du dich selbst?«
    Ihre Augen sprühten nun noch gekonnter Funken. »Seit mir sonst niemand mehr kleine Aufmerksamkeiten zuteil werden lässt - rate mal, von wem ich spreche. Und jetzt raus! Ich verblute!«
    ***
    Zwei Stunden später
    »Mit Verband siehst du noch attraktiver aus«, schmeichelte der Parapsychologe, als seine Lebensgefährtin ihm eine Tasse Kaffee ins Arbeitszimmer brachte, wo er mit der Niederschrift vergangener Fälle beschäftigt war. »Ich danke dir, aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich kann mir den Kaffee selbst holen - zumindest, solange du dermaßen gehandicapt bist.«
    Sie strahlte ihn an. »Das tu ich doch gerne. Du bist es mir wert. Sonst umsorgst doch immer du mich.«
    »Oha«, sagte er. Ihm schwante Böses. »Taktikänderung?«
    »Was für eine Taktik?« Sie tat unschuldig. Ein Rollenfach, das sie mindestens so gut beherrschte wie beleidigte Leberwurst.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schon gut. Danke für den Kaffee. Stell ihn bitte hierhin. Kann ich dir auch bei etwas helfen?« Er nickte zu ihrer lädierten Hand hin. »Ich bin immer für dich da.«
    »Ich hatte gehofft«, sagte sie und strich ihm zärtlich über den Rücken, »dass du das sagst.« Wimpernaufschlag. »Da wäre noch ein paar wichtige Sachen einzupacken…«
    Er stöhnte. »Das ist jetzt nicht wahr, oder? Die Nummer mit der umsorgenden Geliebten diente also nur dazu, dass ich dir deine eigenen Geschenke einpacke?«
    »Immerhin hast du sie nicht selbst kaufen müssen. Das habe ich dir bereits abgenommen.«
    »Mit meiner Kreditkarte?«
    »Mit unserer Kreditkarte.«
    Er zog sie enger an sich heran und erwiderte ihre Liebkosungen, die sich von dem verbalen Schlagabtausch überhaupt nicht beeindrucken ließen. »Wann hast du mir eigentlich das letzte Mal ein Geschenk gemacht?«
    »Ich? Das tue ich jeden Tag.«
    »So? Und was?« Er gab vor, angestrengt überlegen zu müssen.
    »Mich. Ich schenke mich dir doch jede Nacht!«
    Er nickte. »Das stimmt.«
    Es folgte ein langer inniger Kuss.
    Und dem Kuss folgte ein Anruf.
    Detective Hogarth aus England war am anderen Ende der Leitung. »Monsieur le professeur… Sie erinnern sich an mich?«
    Zamorra versicherte: »Aber ja. Wie geht es Ihnen, Detective?«
    »Bis vor kurzem ging es mir ganz gut - vom üblichen Kram mal abgesehen. Aber seit einer Stunde ist hier der Notstand ausgebrochen. Wegen einer Sache, die Ihnen noch gut in Erinnerung sein dürfte.«
    »Das… Tate?«, fragte Zamorra. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich auf Lautsprecher schalte? Nicole ist bei mir und sollte besser mithören.«
    »Nein, nein, das ist ausgezeichnet. Es geht tatsächlich ums Tate - im weitesten Sinne.«
    »Sind wieder Menschen verschwunden? Gibt es neue Aktivitäten im Museum?«, fragte Nicole.
    »Nicht im Museum.«
    »Sondern?«
    Der Scotland-Yard-Mann sagte es ihnen.
    Damit war die Reise nach London gebucht.
    3.
    London, 1890
    Uralt die Qual. Das Verlangen. Die Gier. Uralt auch das Leben, das in ihm pochte, unheilig und grotesk, einem dunklen Traum verwandt.
    » Aaaaaaaahhh… «
    Sehnsuchtsvoll strich fauliger Atem über spröde Lippen. Der Schlaf, der nie Vergessen schenkte, endete jäh, und wie an jedem Tag der letzten Jahrhunderte davor fühlte und schmeckte der Vampir die angebrochene Nacht. Fühlte und schmeckte die Schatten, die draußen nisteten, und er labte sich an der namenlosen Furcht, die, wie

Weitere Kostenlose Bücher