0909 - Drachentod
Jenkins. Ein Wort noch und ich mache Sie alle, bevor Lam auch nur ›Buh!‹ sagen kann.«
Trotz der ernsten Situation musste Zamorra grinsen. Der Ex-Agent tat ihm fast Leid. Vermutlich überspielte er mit dem Geplapper nur seine Todesangst. Denn es sah wirklich nicht gut für sie aus. Die Fesseln saßen so eng, dass sich die Dämonenjäger unmöglich aus ihnen befreien konnten. Außerdem hatten Lams Leute ihnen sämtliche Waffen abgenommen. Sie waren praktisch handlungsunfähig.
Natürlich konnte Zamorra Merlins Stern jederzeit rufen , aber das Amulett würde ihnen nicht viel nutzen. Die Magie der Neun Drachen, auf der auch Lams Macht beruhte, war neutral, weder schwarz, noch weiß, so dass Merlins Stern sie vermutlich nicht als feindlich erkennen würde. Und vor gewöhnlichen Schusswaffen schützte die Silberscheibe erst recht nicht, das hatten sie gerade erst in Paris wieder schmerzlich erfahren.
Verzweifelt sah sich Zamorra nach etwas um, das sich als Waffe benutzen ließ. Doch die Halle war fast völlig leer. Hier und da lagen ein paar alte, nutzlose Autoteile herum. Offenbar war das Gebäude vor nicht allzu langer Zeit als illegale Kfz-Werkstatt benutzt worden. Zamorra sah einen ölverschmierten Motor, Reifen, kaputte Kurbelwellen und Kugellager…
Kugeln.
Vielleicht was das ihre Rettung. Der Zauber des rasenden Mondes bedurfte einer sorgfältigen Vorbereitung. Auf Château Montagne hatte sich Zamorra stundenlang mit komplizierten Ritualen auf die Übung eingestimmt. Er war sich nicht sicher, ob auch die »Kurzfassung« funktionieren würde. Aber er musste es versuchen. Es war ihre einzige Chance.
»Nici, ich brauche ein bisschen Zeit«, flüsterte Zamorra.
»Was hast du…«
»Später.«
Nicole nickte nur. Sie wusste, dass sie ihrem Partner vollkommen vertrauen konnte. Der Betonboden war bedeckt mit Schmutz und Staub. Perfekt. Zamorra besaß zwar keine magische Kreide, aber zur Not würde es das auch tun. Der Dämonenjäger rollte sich etwas zur Seite, sodass seine Finger den Boden berühren konnten. Er ignorierte den heftigen Schmerz, als sich die Fesseln in sein Fleisch schnitten, und begann, hinter seinem Rücken magische Symbole in den Staub zu zeichnen.
Er hatte die Vorbereitungen fast beendet, als sich Lam am anderen Ende der Halle erhob. Der verräterische Zauberer schien fast vor wieder gewonnener Energie zu beben; als er auf Chin-Li zuschritt. Er ging vor der Kriegerin in die Hocke, packte ihr Kinn mit der rechten Hand und grinste höhnisch.
»Wer hätte gedacht, dass es so enden würde? Meister Shius kleiner Liebling verreckt in einer schmutzigen Lagerhalle. Was für ein lächerlicher Tod für so eine stolze Kriegerin.«
Chin-Li starrte ihr Gegenüber hasserfüllt an. »Was hast du mit meinen Eltern gemacht, Lam? Wo sind sie?«
»Deine Eltern?« Lam Chi-Wei lachte auf. »Was glaubst du denn? Sie waren nur ein Köder, um dich herzulocken. Danach haben sich Maggie und Lin um sie gekümmert. Sie waren ihr Abendessen.«
Für einen Moment herrschte totale Stille. Dann sagte Chin-Li: »Du wirst heute Nacht sterben, Lam Chi-Wei. Und nichts wird dich retten können.«
Es war keine Drohung, nur eine nüchterne Feststellung. Lam lachte erneut, doch diesmal klang es deutlich unsicherer. »Die Waffe der Verräterin«, befahl er. Sofort brachte ihm einer seiner Untergebenen die Beretta.
Zamorra zwang sich zur Ruhe. Wenn er unsauber arbeitete, würde der Zauber nicht funktionieren. Im besten Fall. Im schlimmsten würde er eine Katastrophe heraufbeschwören. Seine Handgelenke brannten wie Feuer, als er die letzten Zeichen beendete.
Mit Kennermiene studierte Lam die Waffe. Dann lud er sie durch und drückte die Mündung auf Chin-Lis Stirn.
»Cheri, ich will ja nicht drängeln, aber wenn du etwas vorhast, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt«, flüsterte Nicole.
»Bin, gleich soweit, Nici. Verschaff mir etwas Zeit.«
Zamorra rief das Amulett. Sofort materialisierte sich Merlins Stern in seiner rechten Hand. Eigentlich brauchte er das Amulett für den Zauber nicht, aber da er das Ritual nur sehr verkürzt durchführen konnte, würde es ihn hoffentlich unterstützen.
»Machs gut, kleine Chin-Li«, sagte Lam. Er wollte gerade abdrücken, als ihn Nicole innehalten ließ.
»Verzeihen Sie, ich hätte da eine Frage…«
Verärgert senkte Lam die Waffe. »Finden Sie nicht, dass das ein verdammt ungünstiger Zeitpunkt ist?«
»Ich habe mich nur gefragt, wie Sie Ihre Machtposition halten wollen. Sie
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