0910 - Blutliebe
nicht verhindern können, daß diese Collins nebenan wohnte. Und sie wollte herausfinden, ob die Frau durch das Zimmer ging oder über den Flur, um an Romanas Tür zu lauschen.
Nein, da war nichts.
Nur die Geräusche von draußen brachte der leichte Nachtwind als Botschaft mit in das Zimmer.
Ein geheimnisvolles Wispern und Rauschen, vermischt mit einem kühlen und feuchten Geruch, der sie an alte Friedhöfe und verwitterte Mauern erinnerte.
Gespenstisch bauschten sich die Vorhänge auf, wenn der Wind gegen sie blies. Sie sahen aus, als wollten sie weit in den Raum hineinkriechen, um Romanas Bett zu erreichen. Geister aus anderen Welten, unheimliche Gestalten, die Vorboten einer anderen Welt, von der Romana keine Ahnung hatte, auf die sie aber fieberhaft wartete. Nie gehörte Geräusche verkündeten Großes.
Gern hätte sich Romana im Bett aufgerichtet oder es sogar verlassen, doch noch war sie ans Bett gefesselt.
Die Spannung wuchs. Romanas Herz klopfte stärker. So laut, als wollte es sie vor der nahen Zukunft warnen und sie davon überzeugen, daß es besser für sie war, wenn sie sich von den kommenden Dingen abwandte.
Wenn der Vampir ihr Blut gesaugt hatte, dann gab es kein Herzklopfen mehr. Bei einem Vampir schlug das Herz nicht. Es war zwar noch da, es stand aber still, und trotzdem lebte die Person!
Ein Widersinn an sich, eine furchtbare Tatsache. Romana empfand sie nicht so. Sie hatte sich voll und ganz auf die Zukunft eingestellt, und das würde auch so bleiben.
Was war mit den Geräuschen?
Verstummt?
Die Frau stand unter Spannung. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt, die Nägel stachen hart in ihre Haut. Sie spürte Schmerzen, noch, denn sie war noch ein Mensch.
»Ein Krüppel bin ich!« flüsterte sie. »Ein verfluchter Krüppel, aber das wird sich ändern…«
Ihre Stimme versickerte. Es war wieder still geworden. Wahnsinnig still, obwohl dieser Vergleich nicht stimmte. Aber Romana kam es so vor. Die Stille drückte, sie preßte sich von allen Seiten gegen sie - und sie blieb nicht.
Romana Kendrake hörte ein Geräusch. Von draußen her klang ein fürchterliches Stöhnen zu ihr hoch…
***
Ein Zimmer weiter!
Auch dort befand sich eine Person, die keinen Schlaf finden konnte. Jane Collins wollte sich auch nicht hinlegen und schlafen. Die Unruhe hatte sich verstärkt. Es lag erst wenige Minuten zurück, als sie einen Blick durch ihr Fenster geworfen und dabei ihren Körper nach links gedreht hatte.
Es war ihr dabei nicht gelungen, in Romanas Fenster hineinzuschauen, aber sie hatte sehr wohl erkannt, daß ein Fenster nicht geschlossen war und weit offenstand.
Das ließ nur einen Schluß zu.
Romana wartete auf den Vampir!
Und Jane Collins ebenfalls.
Wenn sie daran dachte, wie sie in diesen Fall hineingeraten war, konnte sie nur den Kopf schütteln.
Sie hatte sich auf dem Weg zu einem Detektiv-Kongreß befunden. In Blackpool hatte er stattfinden sollen, doch auf dem Weg dorthin war Jane Collins von Sir Walter Kendrakes Leuten gekidnappt worden. Kendrake hatte ihr viel Geld geboten, wenn sie die Leibwächterin für seine Tochter Romana spielte. Er war sehr überzeugend gewesen, und Jane hatte auch die echte Sorge des Vaters aus seinen Worten herausgehört. Schließlich war sie über ihren eigenen Schatten gesprungen und hatte eingewilligt.
Sie waren in das einsame Haus gefahren, und Jane hatte Romana Kendrake kennengelernt und schon beim ersten Kontakt ihren Haß gespült. Sie wußte, daß Romana und sie auf verschiedenen Seiten standen. Aber sie wußte auch, daß in der Finsternis des Parks ein Vampir lauerte, und Jane, die kurz vor dem Dinner zu einem Gartenhaus spaziert war, hatte ihn gefühlt, aber nicht gesehen.
Vampire sind Geschöpfe der Nacht, und in dieser Nacht wartete Romana auf ihn.
Jane selbst begriff diese Tatsache nicht. Sie hockte in einem kleinen Sessel und dachte darüber nach, was Romana Kendrake dazu brachte, auf einen Vampir zu warten, um sich ihm freiwillig hinzugeben? Sosehr Jane auch darüber nachdachte, sie kam zu keiner Lösung und glaubte schon daran, daß es die Einsamkeit dieser Frau war, die sie so unvernünftig handeln ließ.
Jane spielte auch mit dem Gedanken, kurzerhand nach unten zu gehen, wo sie mit Greta sprechen konnte. Möglicherweise wußte diese Frau mehr, aber würde sie auch etwas preisgeben? Das war die Frage. Greta stand ihrem Arbeitgeber loyal gegenüber, und Jane war eine Fremde, daran ließ sich nichts ändern.
Natürlich
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