0910 - Blutliebe
Laterne und die Augen ebenfalls. Zusammen leuchteten sie, und sie gaben etwas ab, mit dem der Mann nicht zurechtkam. Es war eine Gier, die er nicht begriff. Andere Feinde, mit denen er sich auseinandergesetzt hatte, hatten ihm immer nur den Tod gewünscht. Hier war es etwas anderes, das Krishan nicht begriff, und er machte sich deshalb große Sorgen.
Die Gestalt hatte ihren Mund weit aufgerissen. Ein düsteres Maul zeichnete sich im Gesicht ab, unterbrochen von einem hellen Schimmern an der Oberlippe.
Waren es Zähne?
Um eine Antwort kam Krishan herum, denn die Zähne tauchten plötzlich vor seinem Gesicht auf.
Dann hackten sie zu.
Oder war es nur der Kopf, der ihm entgegenrammte? Krishan wußte es nicht, der harte Hieb warf ihn einfach um. Er landete wieder auf dem Rücken und hatte Glück, daß er nicht auf einen aus der Erde schauenden Baumstumpf gekracht war.
Der andere fiel.
Krishan kam es vor, als würde er schweben, dabei bewegte sich die Gestalt schnell auf ihn zu und begrub ihn unter sich.
Das Gewicht schien tonnenschwer auf ihm zu lasten. Er bildete es sich nur ein, trotzdem war er nicht mehr in der Lage, den anderen wegzustemmen, der einen Geruch ausströmte, den Krishan kannte. Er hatte ihn schon in der unmittelbaren Nähe des Komposthaufens wahrgenommen, jetzt roch er ihn noch intensiver und der Gedanke, daß diese Person aus einem Grab gekrochen sein konnte, ließ ihn nicht los.
Er wollte sich wehren, doch ihm fehlte die Kraft. Zudem drückte ihn der andere noch tiefer in den weichen Boden.
Krishan wehrte sich nicht mehr. Dicht über ihm bewegte sich der Kopf schattenhaft. Er zielte in eine bestimmte Richtung, das Gesicht senkte sich noch tiefer.
Dann erfolgte der Biß.
Krishan spürte ihn an seiner linken Halsseite. Dort hatten sich die Zähne durch die dünne Haut gebohrt und die Adern getroffen. Es war ein böser, ein gefährlicher Schmerz, der durch seine linke Seite schoß, und er spürte ihn sogar im Kopf.
Dann hörte er das Schmatzen, das leise Knurren und satte Stöhnen. Was es genau war, bekam er nicht mit, denn sein Bewußtsein verlor sich allmählich.
Es sank dahin, es war nicht mehr faßbar, die große, schwarze Welle rauschte über ihn nieder. Er fühlte sich so, als wäre er weggetragen worden. Er lag auf dem Boden und schwebte trotzdem davon, wie von düsteren Schwingen getragen.
Der Vampir aber lag auf ihm. Er saugte weiter, und Krishan hatte noch immer nicht begriffen, was mit ihm geschah. Er würde es auch nicht mehr begreifen, denn das Tor zur anderen Welt öffnete sich ihm weit, sehr weit. Ohne daß er etwas dagegen unternehmen konnte, rutschte er durch dieses Tor in eine Welt hinein, aus der er wieder erwachen würde, dann aber als ein anderer.
Der Vampir blieb noch auf seinem Opfer liegen und saugte es leer. Er war so hungrig, und er freute sich darüber, nach langer Zeit endlich wieder frisches Blut zu bekommen.
Er ließ sich Zeit, denn sein Opfer lief ihm nicht weg. Und so stand er erst nach einer Weile auf, starrte auf die blutleere und leblose Gestalt nieder, die er schließlich packte und hinter sich herzog wie einen alten Teppich.
Er wollte den Mann nicht vor dem Haus liegenlassen. Es gab da ein besseres Versteck für ihn. Wenn er dann erwachte, würde auch er bald unterwegs sein.
Nahrung gab es schließlich genug…
***
Romana Kendrake lag noch immer in ihrem Bett. Selten zuvor war ihr die Behinderung so stark zu Bewußtsein gekommen wie in dieser Zeit. Der Abend rann dahin, sie hätte noch soviel tun können, aber sie war ans Bett gefesselt. Ihre Wünsche würden Wünsche bleiben. Sie konnte nichteinfach aufstehen, sich in den Lichtschimmer ans Fenster stellen und hinauswinken, damit er es sah. Damit er herbeieilte, um sie in seine starken Totenarme zu schließen.
Das alles blieb ihr verwehrt, und wieder einmal verfluchte sie ihr Schicksal.
Aber es würde sich ändern! Romana glaubte fest daran. Man hatte ihr versprochen, daß es sich ändern würde. Dieser Fremde, der ihr gar nicht mehr so fremd war, dem sie Gefühle entgegenbrachte wie einem Geliebten, er würde bald erscheinen und sie von ihren unsäglichen Leiden erlösen.
Die Frau mit den blonden Haaren lag auf dem Rücken. Da das Licht brannte, konnte sie ihr Zimmer überblicken. Es war groß und luxuriös eingerichtet, und alles, was sie benötigte, lag in ihrer Nähe.
Das Handy, die Fernbedienung für Musikanlage, Fernseher und Videogerät. Alles war zentral zu bedienen, sie brauchte nur die
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