0910 - Blutliebe
eigentlich nur vor dem großen Schreibtisch. Wenn Kendrake dort saß, schaute er auf das breite Fenster, hinter dessen Scheibe der Park lag. Er mochte die Landschaft, war sie auch noch so düster und wenig einladend. Aber es gefiel ihm eben, er hatte sich hier ein Refugium geschaffen, das er so schnell nicht verlassen würde.
Kendrake gehörte zu den Menschen, die nicht nur am Tage arbeiteten, sondern auch in der Nacht.
Es machte ihm überhaupt nichts aus, sich mit Plänen zu beschäftigen, die er realisieren wollte. In der Stille kamen ihm die besten Ideen.
Für seinen Geschmack sah Kendrake zerzaust aus. Er trug keine Krawatte, nur das Hemd, darüber die Weste, und seine Hände hielt er in den Hosentaschen versteckt.
So wanderte er hin und her, manchmal einen Blick auf das Walkie-talkie werfend, das auf seinem Schreibtisch lag. Keiner seiner Männer hatte sich gemeldet, er wurde allmählich nervös, obwohl er ihnen selbst erklärt hatte, sich nur dann zu melden, wenn es wirklich wichtig war.
Direkte Angst verspürte er nicht. Es war einfach ein anderes Gefühl in seinem Innern. Ein Drang, zugleich ein Druck, über den er selbst nicht hinwegsteigen konnte.
Er spürte es in seinem Hirn pochen.
Jeder Gedanke bereitete ihm einen gewissen Schmerz, und wenn er mal die Augen schloß, dann zeigte ihm die Phantasie die schrecklichsten Bilder, in deren Mittelpunkt stets seine eigene Tochter stand.
Sie war es, die gequält wurde. Angegriffen von schrecklichen Kreaturen, deren Existenz er nicht für möglich gehalten hatte. Sie stiegen hoch aus den Tiefen seiner Phantasie, sie fielen über Romana her und quälten sie grausam.
Kendrake verlor beinahe die Fassung, was bei ihm nicht oft vorkam. Er preßte einen Fluch hervor, drehte den Stuhl am Schreibtisch herum und ließ sich auf ihn niederfallen.
Mit der Hand faßte er nach dem Walkie-talkie. Er mußte mit seinen Leuten draußen Verbindung aufnehmen, es ging nicht anders. Die Sorge um seine Tochter war bis ins Unermeßliche gewachsen.
Er würde mit ihr reden müssen. Aber später. Er wollte ihre Stimme hören, zuerst aber mußte er sich davon überzeugen, daß ihr nichts passiert war und dieser unheimliche Besucher sie nicht erreicht hatte.
Er schaltete das Gerät ein, schaute zum Fenster, hinter dem sich die dunkle Nacht wie eine Mauer ballte, und nahm diesmal mit dem dunkelhaarigen und raubtierhaften Raki Kontakt auf.
Der Mann mit dem Pferdeschwanz meldete sich sofort. »Gibt es Neuigkeiten, Sir?«
»Das wollte ich von Ihnen wissen!«
»Nein!«
Kendrake knurrte. »Was heißt das genau?«
»Es gibt nichts Neues, Sir!«
»Sie haben also keinen gesehen?«
»Richtig.«
»Gut!« Kendrake hatte das Wort zwar ausgesprochen, erleichtert allerdings war er nicht. »Halten Sie weiterhin Augen und Ohren offen, ich werde noch mit Krishan reden…«
»Sir?« Raki unterbrach seinen Chef, und dem wiederum gefiel der Klang dieser Stimme überhaupt nicht.
»Was ist denn?«
»Es gibt da trotzdem ein Problem.«
Kendrake schwitzte plötzlich, bedingt durch den Adrenalinstoß, der durch seinen Körper jagte.
»Verflucht noch mal, was ist denn los? Hängt es mit Romana zusammen?«
»Wenn, dann nur indirekt.«
»Genauer!«
»Es geht um Krishan. Ich habe einige Male versucht, ihn zu erreichen. Wir haben bestimmte Zeiten ausgemacht, aber Krishan hat sich nicht gemeldet.«
»Wie, nicht gemeldet?« Kendrake fragte, als wäre er schwer von Begriff.
»Sein Gerät blieb tot.«
»Ist es kaputt?« Kendrake ärgerte sich selbst über die seiner Meinung nach dumme Frage.
»Nein, Sir, das glaube ich nicht.«
»Sondern?« Sir Walter wußte die Antwort, aber er wollte sie von Raki hören.
»Da muß was passiert sein, Sir.«
»Okay, was?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann nur raten. Wahrscheinlich ist Krishan in eine Falle gelaufen. Sie werden sie ihm hinterrücks gestellt haben, sonst wäre es nicht passiert. Die Falle muß, nun ja, ich will nicht zu schwarz sehen, aber…«
»All right, ich habe verstanden, Raki.«
»Was werden wir unternehmen?«
»Nicht viel. Sie bleiben auf jeden Fall draußen im Park, das allein ist wichtig. Ich weiß, daß es um meine Tochter geht. Sie befindet sich hier im Haus, ich bin ebenfalls hier und werde deshalb zu ihr hochgehen. Das heißt, ich muß auch mit Jane Collins reden. Sie ist für Romana verantwortlich…«
»Tun Sie das, Sir. Ich mache mir um Krishan Sorgen. Vielleicht werde ich nach ihm suchen.«
»Machen Sie das, und Sie melden
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