0911 - In der Knochengruft
Küche schon verlassen. »Das mache ich, Barney.«
»Ist mir auch lieber.«
»Freut mich.«
Ich öffnete die Tür in dem Augenblick, als der Besucher klingeln wollte. Er war etwas überrascht, mich zu sehen und zuckte zurück. Dann aber lächelte er.
»Sie sind es.«
»Ja, Mr. Croydon. Was wünschen Sie?«
»Darf ich hereinkommen?«
»Warum?«
»Es ist wichtig.« Er schaute mich sehr ernst an, und ich entdeckte in seinen Augen auch nicht die Spur einer Falschheit. Deshalb nickte ich und gab den Weg frei.
Als ich die Tür geschlossen hatte, sah ich den Bildhauer nachdenklich im Flur stehen. Er wirkte wie jemand, der sich nicht entscheiden konnte, wohin er nun schauen sollte. Deshalb drehte er sich um, weil er sich auf mich konzentrieren wollte.
»Sie haben meine Worte nicht vergessen?«
»Nein, Mr. Croydon.«
»Das ist gut, denn der Geist des Zauberers ist freigekommen. Er wird das tun, was er schon einmal getan hat, nur in einer anderen Gestalt und noch mächtiger, wie ich meine.«
»Wieso mächtiger?«
»Geister sind eben immer mächtiger als Menschen. Das sollten Sie sich unbedingt merken.«
»Ja, schon, aber wenn Sie schon so gut Bescheid wissen, können Sie auch das Rätsel der roten Knochen lösen?«
Croydon, der noch immer dieselbe Kleidung trug und auch seinen Hut nicht abgenommen hatte, hob die Schultern. »Es ist nicht leicht, Mr. Sinclair, man muß schon an bestimmte Dinge glauben.«
»Versuchen Sie es.«
»In den Knochen steckt sein Blut.«
»Das des Zauberers?« fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach.
»Genau das. Als er verging, ich sage bewußt nicht starb, da ging sein Blut über in die Knochen seiner Opfer und erhielt sie so am Leben. Er lebt schließlich auch als Geist weiter. Sie müssen sich das so vorstellen, Mr. Sinclair. Da ist ein Geist eine Verbindung mit Menschenknochen eingegangen, und daraus entstand dieses schreckliche Monster, das sehr stark ist. Der Geist kann diese Knochen wieder verlassen, und plötzlich erscheint ein gewaltiges Monster, das ungemein hungrig ist.«
»Hungrig auf Menschen?«
Croydon verzog das Gesicht. »Ich befürchte es, Mr. Sinclair.«
Ich holte tief Luft und merkte, wie mir kalter Schweiß über den Rücken rann. Es gab keinen Grund, Croydon nicht zu trauen. Er hatte sich schließlich mit diesem Phänomen beschäftigt. »Gut, Mr. Croydon, das akzeptiere ich, aber ich habe noch eine Frage. Ich würde gern wissen, wo er sich befindet.«
Der Bildhauer schaute mich erstaunt an. »Sie wissen es wirklich nicht, Sir?«
»Nein, sonst hätte ich nicht gefragt.«
»Aber er ist hier - hier im Haus…«
***
Rote Augen!
Rot wie das Feuer der Hölle und rot wie die Farbe in den schwebenden Gebeinen.
Der im Bett liegende Frank Madson konnte es nicht fassen. Er kam sich in diesem Augenblick so hilflos vor, und er wußte, daß all die Sicherheitsmaßnahmen nicht gefruchtet hatten. Er saß in der Falle!
Das war nicht mehr Dennis Cross, der auf seiner Bettkante hockte, das war ein anderer, ein Monster.
Er hatte sich verändert, er stand unter einem fremden Bann, und der alte Zauberer mußte bei ihm zugeschlagen und ihn unter Kontrolle gebracht haben.
Dennis bewegte seine Hände. Sie schabten über die Bettdecke hinweg und glitten an der Brust des liegenden Mannes entlang und weiter bis zu seinem Hals.
»Was willst du?« ächzte Frank.
»Dich holen.«
»Aber ich…«
»Frank!« Er hörte die Stimme seiner Frau. Also stand sie noch im Zimmer, und dieser Klang gab ihm noch einmal Mut.
»Gilda, bitte, er will mich…« Das letzte Wort wurde ihm buchstäblich in den Hals hineingepreßt, denn Dennis Cross hatte ihm blitzschnell die Kehle zugedrückt.
Madson bekam keine Luft mehr.
Aber Gilda war aufmerksam geworden. Sie hatte sich sowieso schon über die ungewöhnliche Unterhaltung der beiden Männer gewundert. Es hatte ihr auch nicht gepaßt, daß sie im Flüsterton geführt worden war. Sie trat näher an das Bett heran. Von Frank war nichts zu sehen, der massige Körper des Polizisten nahm ihr den Blick. Ihr gefiel die Haltung nicht. Cross sah mit seiner nach vorn gestreckten linken Hand so aus, als würde er etwas umklammern.
»Bitte, ich…«
Da fuhr Dennis Cross herum. Blitzschnell und nachdem er noch einmal zugedrückt hatte.
Gilda starrte in sein Gesicht, sie sah die glühenden Augen, aber nicht nur das. Unter der Haut zeichneten sich die Umrisse der roten Knochen ab. Ein derartig schauriges Bild hatte sie noch nie in ihrem Leben
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