0916 - Zamorras größter Schock
ihn so. Deswegen…« Die Ausrede kam ihm leicht über die Lippen.
»Und wie heißen Sie, Mister?«
»Za - morra.« Sein Kopf fiel nach unten. Er dämmerte erneut weg. Ein unsanfter Stoß in die Rippen ließ ihn umgehend wieder hochschrecken.
»Reißen Sie sich zusammen, Zamorra. Sie können später schlafen. Wenn wir in Sicherheit sind. Jetzt müssen wir dringend hier raus. Ich spüre, dass die Hütte gleich wieder im Nichts verschwindet.«
Den Arm um den Hals McLishs geschlungen, humpelte der Professor nach draußen. Noch immer tobte der Gewittersturm, es goss wie aus Kübeln. Blitze zuckten durch die Nacht, die krachenden Donnerschläge schmerzten in Zamorras Ohren. Im Nu war er völlig durchnässt. Das weckte seine Lebensgeister ein wenig. Keuchend ließ er sich auf den Sitz des Landrovers sinken. McLish startete ihn umgehend. Die Scheibenwischer schafften es kaum, der Wassermassen Herr zu werden.
»Als ich… herkam, war schönes… Wetter, später Vormittag. Jetzt ist es… Nacht. War ich so lange in der Hütte?«
McLish schaute ihn nur kurz von der Seite an, dann musste er sich wieder aufs Fahren konzentrieren. »Schönes Wetter? Das war gestern Vormittag. Seitdem regnet es ununterbrochen.«
»Gestern? Aber… das…« Zamorra spürte, wie die Welle der Erschöpfung erneut über ihm zusammenschlug. Er schloss die Augen, sein Kopf fiel auf die Brust. Zwischen Wirklichkeit und Schlafen bahnte sich für einen winzigen Moment die Erkenntnis den Weg, dass er ohne das Wasser des Lebens in seinen Adern bereits tot wäre oder zumindest so schwach, dass er das Bewusstsein nicht wiedererlangen könnte.
»Ich sehe schon, dass wir uns später unterhalten müssen, wenn es Ihnen wieder besser geht, Zamorra. Schlafen Sie sich zuerst gründlich aus. Wo darf ich Sie hin bringen?«
»Dumbarton… Courte, Missis Hartley.«
»Die Verwalterin? Also gut, kein Problem.«
Danach bekam der Meister des Übersinnlichen nichts mehr mit. Nicht, dass ihn McLish bei Amabel Hartley ablieferte, nicht, dass ihn der kräftige Blonde auf den Armen so leicht ins Schlafzimmer trug, als besitze er lediglich das Gewicht eines kleinen Hundes, nicht, dass er ihn dort aufs Bett legte und auch nicht, dass die Gutsverwalterin ihn nackt auszog, ihn abtrocknete und ihn in einen Schlafanzug ihres verstorbenen Mannes zwängte.
***
Schottisches Hochland, Great House Dumbarton Courte
Als Zamorra am späten Vormittag des nächsten Tages erwachte, fühlte er sich erstaunlich fit. Das Wasser des Lebens in seinen Adern hatte den enormen Kräfteverlust schneller als erwartet wieder ausgeglichen.
Der Meister des Übersinnlichen blieb noch einen Moment liegen. Er fixierte einen Ast an der Holzdecke, um sich konzentrieren zu können und so wieder Ordnung in seine noch etwas wirren Gedanken zu bekommen.
Was war eigentlich passiert?
Butler William hatte ihn gebeten, hier in Schottland nach dem Rechten zu sehen. Denn er wähnte seine Schwester Amabel Hartley und deren Tochter Cynthia in großer Gefahr - wegen dämonischer Umtriebe rund um Dumbarton Courte, die einer jungen Frau namens Myrtle Ledford das Leben gekostet hatten. Um eine Zeit lang unauffällig auf dem Anwesen bleiben zu können, hatte ihn Amabel als alten Freund eingeschleust. Nach einigen Sichtungen von Skelettkriegern in und um Dumbarton war es gleich am ersten Abend zu einer handfesten Auseinandersetzung mit den Knochensoldaten im Blauen Salon des Herrenhauses gekommen. Als er am nächsten Morgen den Fundort Myrtle Ledfords, die keinen Tropfen Blut mehr in sich gehabt hatte, untersuchte, war er im Tal von Trossach auf die seltsame Jagdhütte gestoßen, die immer mal wieder aus dem Nichts auftauchte, eine Weile blieb und dann wieder verschwand. In der Hütte war Merlins Stern , der sich zuvor völlig passiv verhalten hatte, plötzlich regelrecht ausgetickt und hatte wahllos silberne Blitze nach allen Richtungen verschossen. Dabei hatte ihm das Amulett ein Übermaß an körpereigenen Energien entzogen. Plötzlich war völlig überraschend Leonardo aufgetaucht. Und der blonde Weißmagier…
So sehr er sich auch anstrengte, der Name seines Retters fiel ihm nicht mehr ein.
Zamorra stand auf. Er öffnete die Tür. »Hallo!«, rief er. Niemand antwortete. Cynthia, der kleine Satansbraten, war höchstwahrscheinlich in der Schule. Und Amabel hatte sicher ebenfalls zu tun. Ein Zettel, den er auf dem Küchentisch fand, bestätigte diese Einschätzung. Zudem stand drauf, dass er sich bitte
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