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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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der nichts mehr so war, wie es sein sollte. Aldebar hatte ihm nie gesagt, welches Jahr man in dieser Gegenwart schrieb, und allmählich verstand Zamorra auch, weshalb. Zeitrechnung gehörte für diese Menschen der Vergangenheit an; sie war etwas Chronologisches, ein Archaismus - und als solches eigentlich nicht weiter relevant. Zumindest nicht für Aldebar und die Seinen, die in dieser menschenfeindlichen und grundlegend auf den Kopf gestellten Welt, welche sich andauernd weiter verwandelte, leben mussten. Von einem Tag zum nächsten.
    Noch immer hallten die Worte des Greises in Zamorras Gedanken wider, all die Erklärungen und Fakten, mit denen der Altoberste ihn konfrontiert hatte. Sie ergaben Sinn, befand der Meister des Übersinnlichen, wenngleich auch einen furchtbaren. Die Geschehnisse im Château, die rätselhaften Fischwesen, die tentakelbewehrten Titanen… ja, selbst die absonderliche fremde Welt, die er für den Bruchteil eines Augenblicks aus dem Küchenfenster des Châteaus gesehen zu haben geglaubt hatte, passte nun ins Bild. Vermutlich hatte es sich dabei um den Ursprungsort der unheimlichen Wesen gehandelt. Um die Welt oder Sphäre, die seit dem Eingriff in die Menschheitsgeschichte zunehmend auf die andere, menschliche übergriff.
    »Es gibt sie noch immer, wie Sie sehen.« Aldebars Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Der Alte war neben den Professor getreten und deutete nun auf eine Stelle jenseits des Fensters. Zamorra folgte dem Hinweis und sah in einer entfernten Straßenschlucht ein helles Leuchten. Ein Lichtblitz - ganz ähnlich dem, den er im Château gesehen hatte. Als William verschwand. Der Anblick war, so absurd es klang, irgendwie tröstend.
    »Also ist die Veränderung der Zeit noch immer nicht abgeschlossen«, sagte der Meister des Übersinnlichen.
    Aldebar nickte. »Sie geht jeden Tag weiter, jede Nacht, jede Stunde. Wir alle hier wissen von Dingen und sogar von Personen, die an einem Tag noch da waren, am nächsten Morgen aber nicht mehr existierten, nicht mehr existiert haben . Und wer sich an sie erinnert, kennt fortan zwei Versionen des Vergangenen - eine mit und eine ohne diese Sache, ohne diesen Menschen.« Er schnaubte leise. »Raten Sie mal, welche der beiden ab dann gilt.«
    Und alles wegen Gutenberg. Mit ihm fing es an.
    Zamorra konnte kaum fassen, wie nah er dem Auslöser all dieser Geschehnisse gekommen war. Noch vor wenigen Stunden hatte er sich dem berühmten Drucker Auge in Auge gegenübergesehen, hatte persönlich am Tisch in dessen Kammer gesessen und zugehört, während der betrunkene Gutenberg alias Gensfleisch ihm sein Leid geklagt hatte. Damals schien die Werkstatt des Mannes noch so gewesen zu sein, wie sie die Geschichtsbücher beschrieben, an die Zamorra sich erinnerte. Demnach war es erst später zu dem folgenschweren Eingriff gekommen. Wäre ich nur länger in 1455 geblieben , dachte der Professor bitter. Wer weiß, vielleicht hätte ich es verhindern können.
    Er stutzte. Moment mal…
    Ein Gedanke kam in ihm auf. Er war lächerlich, geradezu wahnsinnig waghalsig und spottete jeglicher Wahrscheinlichkeit. Himmel, Zamorra selbst war der lebende Beweis dafür! Und dennoch faszinierte er ihn ungemein.
    Wenn all die Abenteuer und Gefahren, denen der Meister des Übersinnlichen in den Jahrzehnten seines Kampfes gegen die Mächte der Finsternis ausgesetzt gewesen war, ihm eines gezeigt hatten, dann dieses: Es gab immer Möglichkeiten. Egal, wie hoffnungslos eine Situation auch schien - so lange es Chancen gab, und seien sie auch noch so gering, war es noch nicht vorbei. Nur wer aufgab, hatte wirklich verloren. Und Zamorra hatte nicht bis hierher überlebt, weil er zu der Sorte Mensch gehörte, die aufgab und sich ihrem Schicksal ergab.
    Scheiß auf die Wahrscheinlichkeit!
    Als sich der Professor zu Aldebar umdrehte, brannte ein Feuer in seinen Augen, das von der Hoffnung genährt wurde. »Ich würde Sie gerne um einen Gefallen bitten, wenn Sie gestatten«, sagte er zu dem Alten. »Morgen, sobald die Sonne aufgegangen ist, möchte ich, dass Sie einige Ihrer besten Männer für mich an die Erdoberfläche schicken.«
    Aldebar stutzte. »Warum sollte ich? Am Tag sind auch die Titanen wach. Dann ist es hier draußen bald noch gefährlicher als in der Nacht. Von Jannik und seinen jugendlichen Leichtsinnigen abgesehen, traut sich dann niemand hinaus.«
    »Ich will«, erklärte Zamorra lächelnd, »dass sie mir einen Slissak fangen.«
    ***
    »Das ist doch Wahnsinn!«
    Der

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