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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Reaktion fiel, wie erwartet, ganz anders aus. »Und wie soll das Ihrer Ansicht nach gehen?«, brauste er auf. »Da draußen regiert das Chaos. Jeden Moment kann man dort von den Slissaks oder den Zeitbeben erwischt werden - und dann ist es vorbei.« Mit ausgestrecktem Arm deutete Rufus auf den Schlafenden, der auf der Pritsche im Zentrum der Kammer lag und mit der Kraft seiner Gedanken die magische Barriere aufrecht erhielt. »Dieser Mann hat sein Leben gegeben, um uns diese Arche zu ermöglichen. Welchen Nutzen hätte sein Opfer wohl, wenn jetzt auch noch wir wenige sie verließen und uns in Gefahr brächten? Wir sind, Herr Struttenkötter, der letzte Rest der Menschheit. Wenn wir aufgeben, wenn wir unsere Deckung verlassen, ist alles vorbei.«
    Struttenkötter hob die Arme. »Und was nutzt sein Opfer wenn es nur eine Handvoll Männer in einer kleinen Kammer vor dem Ende bewahrt? Wir können die Fackel auch nicht lange tragen. Was Sie hier haben, meine Herren, ist keine Arche. Archen sind wenigstens bewohnt.«
    »Er hat recht, Rufus«, warf Benedikt ein und sah seinen Ordensbruder herausfordernd an. »Schau dich doch um: Inwiefern entspricht das hier dem Auftrag, dem wir uns verpflichtet haben? Das Mindeste, was wir noch zu tun versuchen können, ist, unsere Gruppe ein wenig aufzustocken. Wenn uns das das Leben kostet… nun ja, als Leben würde ich das, was uns in dieser Kammer erwartet, ohnehin nicht bezeichnen.«
    Eusebius brauchte Bruder Rufus nicht ins Gesicht zu blicken, um zu wissen, dass er gewonnen hatte. Sie würden rausgehen, ein letztes Mal. Raus in die wirkliche Welt. Die Zeit des Däumchendrehens war endlich vorüber.
    Ich frage mich wirklich , dachte Eusebius zufrieden, was diese beiden reizenden Dämonenjäger wohl gerade tun.
    ***
    Abt Henri Duchamps war ein weltgewandter Mann, was für jemanden seines Berufs eine Seltenheit war. Bevor ihn der Ruf ereilt und er die Kutte eines Ordensmannes angelegt hatte, war er… nun, man könnte wohl sagen, dass er ein rechter Lebemann gewesen war. Ein Herzensbrecher und filou , dessen mangelnde Moral nur noch von seiner Dreistigkeit übertroffen worden war.
    Insbesondere in Paris - daran hatte Henri keinen Zweifel, wenn er auch schlau genug gewesen war, die Annahme niemals zu überprüfen - dürften mittlerweile einige Nachfahren herumlaufen, die ihre Existenz der ungezwungenen Art verdankten, mit der Duchamps damals sein Erbgut unters willige Weibsvolk gebracht hatte. Es war nun gut acht Jahre her, dass er die Stadt abrupt verlassen hatte - seit jener schicksalhaften Nacht, in der er so viel getrunken hatte, dass er beinahe an einer Alkoholvergiftung gestorben war. Noch immer erinnerte er sich nur zu gut daran, wie er lallend in der Gosse gelegen und fantasiert hatte. Damals war es ihm gewesen, als sähe er vor sich, wie sich das Tor zur Hölle für ihn öffnete und zwei Dämonen des Leibhaftigen erschienen waren, um ihn in die Ewige Verdammnis zu zerren. An diesem Abend hatte sich Henri geschworen, der Flasche und dem Lasterleben ein für alle Mal zu entsagen - ein Schwur, an den er sich bis heute treu hielt.
    Jene Tage waren lange vorbei. Nun war der einstige Charmeur und Trinker ein asketisch lebender Anhänger der Kirche und hatte die letzten Jahre damit verbracht, für seine Entgleisungen in Jugendjahren ausgiebig Buße zu tun. Henri wusste nicht, ob Gott ihm mittlerweile vergeben hatte, er hoffte es aber inständig und betete mehrmals am Tag dafür.
    An diesem klirrend kalten Wintermorgen im Jahre des Herrn 1455 saß Abt Henri auf dem Kutschbock seines kleinen Pferdewagens und ließ sich von seinem treuen Gaul durch die Provinz ziehen. Es war wieder so weit: Gottes Wort musste unter das einfache Landvolk gebracht werden. Bereits gestern hatte Henri in einer kleinen Ortschaft Station gemacht und eine lateinische Messe gehalten, nun zog er weiter nach Norden und suchte nach der nächsten Siedlung, in der er sie lesen konnte. Außerdem hatte er Kleidung dabei, welche sein Kloster den Sommer über gesammelt hatte, und die er nun an Bedürftige verteilen wollte.
    Knirschend zogen die hölzernen, mit Eisenringen beschlagenen Reifen des schlichten Karrens durch den dichten Schnee, der in der Nacht gefallen war. Die aufgehende Sonne ließ die weiß bedeckte Landschaft hell erstrahlen. Es war so frisch, dass der Atem des Pferdes kleine Wölkchen bildete, während es, von Henris Zügeln gelenkt, gleichmütig vorwärts stapfte.
    »Oh Herr«, begann Henri sein

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