092 - Schreie aus dem Sarg
du mir kein Ungeheuer ins Haus holst, sonst mache ich dich höchstpersönlich kalt.«
Calano grinste. »Ich dachte, Sie halten mich für einen Bluffer.«
»Wer ist Yora?« fragte der Gangsterboß unwillig.
»Sie ist eine Totenpriesterin«, antwortete Calano.
»Ein Dämon?«
»Ja. Man nennt sie auch das Mädchen mit dem Seelendolch. Sie tötet mit dieser Waffe Menschen, verschafft der Hölle auf diese Weise Seelen, und aus den Getöteten werden Zombies.«
»Ich glaube, ich spinne«, sagte Chet Bosco. »Das kann es doch nicht alles wirklich geben.«
»Soll ich Yora rufen?« fragte Calano.
»Okay. Sehen wir uns die Höllenlady mal an.«
***
Ich trat das Gaspedal durch und ließ den Rover abzischen. Pasquanell hatte keinen großen Vorsprung. Wenn ich Glück hatte, konnte ich ihn in wenigen Augenblicken stellen.
Er würde kämpfen, würde mich töten wollen. Die Situation war verrückt. Dieser Mann hatte Pater Severin dem Leben wiedergegeben. Ich durfte ihn nicht vernichten. Ich mußte sein Leben schonen. Das bedeutete, daß ich nicht mit aller Kraft gegen ihn angehen konnte, während er es tun würde. Obwohl er mein Todfeind war, mußte ich ihn wie einen Freund behandeln.
Er war zur bedauernswerten Kreatur geworden, aber er konnte nichts für das Schicksal, das ihn ereilt hatte.
Ich raste auf die Straßenecke zu, bremste erst kurz davor und zog den Rover im Power Slide in eine enge Kurve. Ein Wagen kam mir entgegen.
Das Roverheck brach aus, aber ich verlor nicht die Kontrolle über das Fahrzeug. Ich kam gut an dem entgegenkommenden Auto vorbei, gab den PS tüchtig die Sporen und sah Terence Pasquanell zwischen zwei eng beisammenstehenden Häusern verschwinden.
Dieser Halunke wußte, warum er ausgerechnet diesen Weg einschlug. Ich kam dort mit dem Wagen nicht durch. Wenn ich mich nicht abhängen lassen wollte, mußte ich dem Werwolfjäger zu Fuß folgen.
Vollbremsung!
Ich stand auf kürzeste Distanz und sprang aus dem Wagen. Meine Müdigkeit war verflogen. Der Jagdinstinkt prägte mein Handeln. Ich konnte förmlich spüren, wie das Adrenalin durch meine Adern kreiste. Ich hatte im Moment keine Schmerzen und dachte nicht an das Gift des schwarzen Nagers.
Nichts war mir im Moment wichtiger, als Terence Pasquanell zu kriegen.
Er überkletterte einen Maschendrahtzaun und verschwand auf dem riesigen Gelände eines Schrottplatzes. Dort gab es Tausende von Möglichkeiten, sich zu verstecken.
Wie sollte ich den Werwolfjäger ausfindig machen?
Während ich auf den Zaun zurannte, überlegte ich, ob es nicht besser gewesen wäre, erst Mr. Silver, Roxane und Boram zu alarmieren. Zu viert hätten wir dann den Schrottplatz durchkämmen können, aber es bestand die Gefahr, daß Pasquanell inzwischen das Weite gesucht hätte.
Nein, ich mußte allein um diesen Erfolg kämpfen. Grimmig sprang ich am Gitter hoch. Ganz kurz meldeten sich die Schmerzen wieder. Ich stöhnte auf, kletterte aber weiter, so schnell ich konnte, sprang auf der anderen Seite zwischen die hohen Blechhaufen.
Wahre Alteisengebirge türmten sich vor mir auf. Durch eines der Täler schlich ich. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Ich mußte ständig mit einem Angriff des Werwolfjägers rechnen.
Aus der Dämmerung war inzwischen Dunkelheit geworden. Das erschwerte meine Suche erheblich. Manchmal erschreckten mich Geräusche, und ich fuhr mit angehaltenem Atem herum, ohne jedoch attackiert zu werden.
Obwohl Terence Pasquanell keine Augen mehr besaß, war ich davon überzeugt, daß er mich auf Schritt und Tritt »beobachtete«. Ich glaubte, seine Nähe zu fühlen.
Immer wieder bildete ich mir ein, er würde ganz dicht hinter mir stehen, aber wenn ich mich umdrehte, sah ich, daß ich allein war. Das ekelhafte Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Es klammerte sich an mir fest wie eine große lästige Laus.
Ich scheuchte eine Katze auf. Sie nahm ängstlich Reißaus, sprang über klapperndes Blech und verschwand. Wieder herrschte Stille. Ich konnte das Schlagen meines Herzens hören.
Da! Ein leises Knirschen, direkt vor mir! Ich blieb stehen, duckte mich und strengte die Augen an. War das Pasquanell? Ich sah ihn nicht, sah nur eingedelltes, rostiges Blech, aber dahinter konnte der Werwolfjäger stehen.
Ich ging vorsichtig weiter, setzte meine Schritte mit Bedacht, um mich mit keinem Geräusch zu verraten. Drei Schritte fehlten noch, dann würde ich sehen können, wer oder was sich hinter dem Blech befand.
Zwei Schritte…
Mein Puls
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