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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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nichts mehr zu verlieren hatten. Die wussten, welches Schicksal ihnen bevorstand. Als sie schließlich den Hauptsaal betraten, in dem Kaiser Aurelian sie erwartete, waren ihre Gesichter nahezu ausdruckslos und gefasst, ihr Herzschlag ruhig.
    »Aye, Cäsar«, begrüßte Terticus I. den römischen Imperator und verneigte sich ehrerbietig, und sein Sohn tat es ihm gleich. » Morituri te salutant .(Mit diesem Satz zogen im antiken Rom die Gladiatoren in die Arena, stets den nahezu sicheren Tod vor Augen.)« Die dem Tod Geweihten grüßen dich.
    ***
    Lucius Domitius Aurelianus, seit nahezu fünf Jahren Kaiser und Anführer des römischen Imperiums, war vieles, nur eines nicht: dumm. Nicht umsonst hatte er in seiner bisher so kurzen Amtszeit so viele erfolgreiche Reformen anregen können. Er hatte ein neues Währungssystem eingeführt, um die innere Wirtschaft zu festigen, hatte den aus Kleinasien herüber geschwappten religiösen Mithraskult akzeptiert und anerkannt, weil ein Großteil seiner Soldaten diesem anhingen und er sie bei Laune halten wollte. Und er hatte sich seine Position an der Spitze des größten und stärksten Reiches auf Erden verdient - durch Kraft, Mut, Ausdauer… und durch Skrupellosigkeit, wann immer diese angebracht gewesen war.
    Nun, während er da saß, sich gedankenverloren durch den sorgsam gestutzten Vollbart strich und die beiden Gefangenen von der Mosel betrachtete, die gerade den Raum betreten hatten, konnte er sich nicht helfen. Dies war - wenn ihn seine Informanten nicht trogen - wieder ein Moment für Skrupellosigkeit.
    »Erhebt Euch, Terticus«, sagte Aurelian betont trocken. »Es besteht kein Bedarf für übertriebene Huldigungen. Wir wissen doch beide, dass Ihr die Souveränität unseres Amtes nur anerkennt, weil Ihr es müsst.«
    Terticus der Ältere hob den Kopf. Er wirkte alt, alt und müde. »Das war einmal, mein Kaiser. In einer längst vergangenen Zeit. Nun ist Rom wieder stark wie eh und je, und ich und mein Sohn sind seine treuen Untertanen.«
    »Schaut an.« Aurelian lachte auf, hob die rechte Hand und ließ sich von einer schlanken und braunhaarigen Schönheit, die hinter seinem Stuhl für genau diese Momente bereitstand, einen Strang Weintrauben reichen, von denen er sich gleich eine in den Mund schob. »Treue Untertanen, eh? Und vor Wochen noch wart ihr es zufrieden, in Germanien eine Gegenveranstaltung abzuhalten. Terticus, Ihr habt Roms Schwäche ausgenutzt. Die letzten Jahrzehnte waren eine Zeit des Wandels, und anstatt Eurem Reich zu helfen, sie zu überstehen, habt Ihr Euch von ihm abgespalten.«
    Eigentlich sollte ich euch dafür hinrichten lassen , dachte er nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Gleich hier, am Besten sogar durch meine eigene Hand. Verräterpack wie ihr hat es nicht verdient, den gleichen Boden zu betreten wie der wahre Kaiser Roms.
    Doch etwas hielt ihn auf. Etwas Bedeutsames, ja, Unglaubliches.
    Es stimmte, dass Rom in der jüngsten Vergangenheit schwach gewesen war. Diverse Machthaber waren gekommen und gegangen, Soldaten allesamt, die ihren Anspruch auf den Thron des Imperators mit großen Worten und einer beeindruckenden Unterstützung durch ihr jeweiliges Heer zur Not auch gewaltsam durchgesetzt hatten. Doch das Herz eines Soldaten war mitunter wankelmütig, und die Loyalität der Armee, dank der so mancher dieser »Soldatenkaiser«, den Weg an die Spitze geschafft hatte, war meist schneller wieder verschwunden, als sie gekommen war. Neue Helden lösten die alten ab, sobald diese etabliert geworden waren und den Reiz des Abenteuers, des Aufständischen und Verbotenen gegen die Zwänge der Bürokratie und der Machterhaltung eingetauscht hatten.
    »Verfügt über uns, Herr«, sagte Terticus unterwürfig, und Aurelian fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. So rückgratlos, so resignierend…
    »Das werde ich durchaus, Terticus«, sagte er drohend. Dann, sanfter, fügte er hinzu: »Wenngleich wohl nicht so, wie Ihr es erwartet.«
    »Mein Kaiser?« Der Alte blickte überrascht auf.
    »Ich möchte Euch ein Angebot unterbreiten«, begann Aurelian. »Es basiert auf einer Geschichte, die mir zu Ohren gekommen ist. Sie klingt, zugegebenermaßen, unglaublich, doch versichern mir die Wachen, welche Euch nach Rom geführt haben, dass sie zutrifft. Zumindest habt Ihr und Euer Sohn Selbiges wieder und wieder gesagt.«
    Die beiden Terticusse warfen sich einen besorgten Blick zu, und Aurelian fuhr schmunzelnd fort. »Habt Ihr etwa geglaubt, meine Zenturios

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