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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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dass Ihr Orden entstand?«
    »Weil das niemanden etwas angeht«, rief Bruder Rufus, der einige Meter entfernt hockte und wütend zu den beiden hinüberblickte. Er wollte schon aufspringen, da hob Benedikt abwehrend die Hand. »Lass gut sein, Rufus. Hier darf jeder alles wissen. Es macht doch ohnehin keinen Unterschied mehr. Also, Herr Struttenkötter: Die Entstehung dessen, aus dem einst unser Orden wurde, hat mit der wohl größten menschlichen Schwäche zu tun. Mit der Gier.«
    Und während die Stadt Mainz wenige Meter über ihren Köpfen von todbringenden Lichtblitzen und den grausamen Slissaks gewaltsam umgestaltet wurde, begann Benedikt zu erzählen.
    ***
    Rom, 274 n. Chr.
    Als der Pferdekarren endlich zum Stehen kam, wusste Terticus, dass sein Leben verwirkt war. Und er begrüßte diese Erkenntnis wie einen alten, viel zu lange vermissten Freund.
    Also Rom. Wer hätte gedacht, dass es dort endete? Dass er - ausgerechnet er - noch einmal in die Hauptstadt des Imperiums zurückkehren würde, dem er so lange und so überzeugt die Stirn geboten hatte?
    Schritte erklangen vor der Tür des geschlossenen Wagens, in dem der ehemalige Kaiser des gallo-römischen Sonderreiches, der sich vor Kurzem seinem römischen Gegenstück Aurelian ergeben hatte, neben seinem Sohn und einstigem Thronfolger saß und auf das Unvermeidliche wartete. Dann öffnete sich die Tür und ein grobschlächtig aussehender Zenturio forderte die beiden Männer auf, auszusteigen. Sie gehorchten ohne ein Wort. Was gab es auch noch zu sagen?
    Die Sonne schien hell und wärmend über der Stadt am Tiber und raubte den zwei Gefangenen, die seit Tagen im Verschlag des Wagens gesessen hatten, kurzzeitig die Sicht. Frische Luft strömte in ihre Lungen, zum ersten Mal seit Langem, und sie roch nach Natur, nach Größe, nach Leben. »Das war's dann«, murmelte Terticus II., der sogenannte princeps iuventutis , leise - in der Sprache des Landvolks der Moselregion, in welcher sie beide glückliche Jahre verbracht hatten. »Spätestens in einer Stunde sind wir tot. Unfassbar, wenn man bedenkt, dass wir noch vor wenigen Wochen ein eigenes Imperium geführt haben.«
    »Aber eines, das sein Land dem Römischen Reich abgezwackt hat«, gab Terticus I. im gleichen Idiom zurück. »Kein Wunder, dass Rom sich eines Tages zurückholen kam, was ihm ohnehin gehörte.«
    Sein Sohn warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Manchmal, Vater, erkenne ich Euch nicht mehr wieder. Seit Ihr aus dieser… dieser Nebelwelt zurückgekehrt seid, von der Ihr mir berichtet habt, seid Ihr anders. Weicher.«
    Terticus hätte Zorn ob dieser Bemerkung verspüren sollen, konnte aber nur lachen. Der princeps iuventutis hatte ja recht. Die Zeit, die Terticus im Reich des Finsteren verbracht hatte - eingesperrt in einer Sphäre voller Gefahren, in der die Zeit keine Bedeutung gehabt hatte -, hatte ihn so manche seiner Überzeugungen revidieren lassen. Dies und die Begegnung mit dem Mann aus der Zukunft, jenem Zamorra, trugen die Schuld an der Situation, in der er und sein Sohn sich nun befanden. Und Terticus wollte nirgendwo anders sein. Es musste ein Ende haben. Je früher, desto besser.
    Zamorra hatte Terticus damals berichtet, was dieser den Geschichtsbüchern nach getan hatte: von der Kapitulation im Wald von Catalauni und dem damit einhergehenden Ende des gallischen Imperiums.
    Und als dann das Schicksal so gnädig war, Terticus wieder in seine Zeit zurückkehren zu lassen, hatte er Zamorras Worte in Taten umgesetzt und getan, was die Historie von ihm verlangte. Obwohl - oder vielleicht sogar weil? - er schon damals geahnt hatte, dass diese Tat ein Todesurteil war.
    Für ihn persönlich und für sein Gegenimperium.
    »Silentium!«
    Der schroffe Befehl des Zenturios ließ Vater und Sohn verstummen. Einer Geste ihres Bewachers folgend, wandten sie sich zur Seite und traten auf das Gebäude zu, vor dem ihr Transport haltgemacht hatte.
    Es handelte sich, wie unschwer zu erkennen war, um nichts Geringeres als den Palast des Cäsaren - ein hohes, üppiges Bauwerk aus Stein, verziert mit diversen kostspieligen Ornamenten. Breite Säulen umsäumten den Eingang, zu dem fünf steinerne Stufen führten. Zahlreiche Soldaten in Schienenpanzer und Kettenhemd standen rechts und links des Tores, den Schild neben sich gelehnt und das Gladius genannte Kurzschwert in der Hand, das zu ihrer Standardausrüstung gehörte.
    Mit festen Schritten gingen sie die Stufen hinauf und auf den Eingang zu - wie Männer, die

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