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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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verstünden die Sprache des germanischen Landvolks nicht? Habt Ihr geglaubt, Eure Geheimnisse seien sicher, nur weil Ihr nicht auf Latein zueinander spracht?«
    Terticus wirkte zerknirscht… und irgendwie erschüttert. »Nein, Herr. Offenbar waren sie das nicht.«
    Ruckartig erhob sich der Kaiser aus seinem Stuhl. Mit wenigen Schritten näherte er sich dem Gefangenen, blickte ihm fest in die Augen. Dies war er, der Moment der Entscheidung. »Also ist es wahr?«, fragte Aurelian und bemühte sich, das nervöse Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bekommen. »Trifft zu, worüber Ihr und Euer Sohn im Geheimen geredet habt? Könnt Ihr, Gaius Pius Esuvius Terticus, wirklich durch die Zeit reisen?«
    ***
    Die Stille, die auf diese Worte folgte, war so umfänglich, dass man sie fast mit Händen hätte greifen können. Und der princeps iuventutis - der Mann, der einst gezeugt und erzogen worden war, um ein Reich zu erben, das nicht länger existierte - erkannte seine Chance.
    »Ja, Herr«, sagte er und blickte Aurelian ungerührt an. Er spürte, wie sich sein Vater neben ihm versteifte. Nicht umsonst hatte Terticus I. versucht, das übersinnliche Erlebnis in der Nebelsphäre und jener seltsamen Zukunft, von dem er ihm berichtet hatte, zu vergessen. Doch diese Gelegenheit war zu groß, zu reich, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.
    Das schuldest du mir, Vater , dachte der Sohn. Du hast mir ein Imperium zugesichert und dein Versprechen nicht gehalten. Nun lass mich wenigstens unser Leben retten. Wenn diese Lüge dafür genügt, umso besser.
    Aurelian wirkte angespannt, nahezu nervös. »Spricht er die Wahrheit?«, fragte er den älteren der beiden Gefangenen.
    Dieser seufzte. »Ich… bin durch die Zeit gereist, Herr, ja. Doch geschah dies durch Außeneinwirkung. Ich selbst vermag nicht, mi…«
    Was machte Vater denn da? Wollte er den rettenden Halm, den ihnen das Schicksal so unverhofft reichte, etwa abweisen? Unbemerkt trat der princeps iuventutis seinem alten Herrn gegen das Bein, woraufhin dieser verstummte.
    »Mein Vater ist erschöpft von seiner letzten Reise, Kaiser«, sagte der jüngere Terticus schnell. »Vergebt ihm seine Verwirrung.«
    Aurelian schnaubte leise. »Also könnt ihr es, ihr beide.« Eine Feststellung, keine Frage. Terticus II. nickte.
    »Ihr wisst«, fuhr der Kaiser fort, »dass ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, das Imperium zu alter Größe zurückzuführen. Doch dies geht nur, wie uns die Vergangenheit schmerzlich zeigte, durch Stabilität an der Führungsspitze.«
    Abermals nickte der princeps iuventutis . »Ich verstehe, Herr. Ihr sucht nach Wegen, Eure Stellung dauerhaft zu festigen. Wir können Euch diese Wege zeigen. Durch unsere Magie, unser Talent der Zeitreise.«
    Er sah, wie Vater ihm einen verzweifelten Blick zuwarf, ignorierte ihn jedoch. Ich spiele hier auf Zeit, alter Mann. Und jeder Tag, den ich für uns herausschlagen kann, ist einer mehr, an dem wir atmen und leben. Soll Aurelian doch ruhig glauben, was er glauben will.
    »Wie lange?«, hauchte der Kaiser gierig. »Wie lange braucht Ihr für diese Magie? Ich will sie haben! Für Rom!«
    Na also. »Gut Ding will Weile haben, Aurelian«, antwortete der jüngere Terticus und hatte Mühe, sich ein hämisches Lachen zu verkneifen. »Gebt uns eine Wohnung, ein paar Bedienstete und ein Auskommen, und wir werden sehen, was wir für Euch tun können.«
    ***
    »Aber was hat das alles mit unserem eigentlichen Thema zu tun?«
    Nicole Duval klingelten die Ohren vor lauter Informationen, die gerade auf die Dämonenjägerin einstürzten. Noch immer saß sie in der unterirdischen Kammer im Mainz des Jahres 1455 - und sie war verwirrt. Eigentlich hatte sie Bruder Martinus darum gebeten, ihr etwas über die Anfänge jenes seltsamen Ordens zu erzählen, dem dieser angehörte. Doch stattdessen hatte der Mönch von ein paar alten Römern berichtet.
    Noch dazu von einem, den ich kannte! , dachte Nicole verblüfft. Von Terticus I., der damals in Trier mit uns gegen den falschen Odin kämpfte. Das ist also aus dem geworden…
    Martinus lächelte. »Sehr viel, Frau Duval. Mehr als es den Anschein hat. Verstehen Sie, Aurelian ließ Terticus und seinen Sohn nie hinrichten, obwohl es sein gutes Recht gewesen war. Die Beiden erschlichen sich das Vertrauen des Kaisers und gingen in seinem Auftrag ihren Forschungen über das Wesen der Zeit nach - offiziell zumindest, denn tatsächlich hatten sie keine Ahnung, wie sie es bewerkstelligen sollten, sich

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