0923 - Ice Road Shockers
Gefährt, dessen silbrige Oberfläche im Licht des Vollmonds glitzerte, das vom sternenklaren Himmel schien. Es war dunkel hinter den beiden einzigen Fenstern des Airstream. Offensichtlich schlief Bennett schon. Ist auch besser so , fand Jack. Er fürchtete sich schon lange vor einer eingehenden Unterhaltung mit seinem Kompagnon, denn er wusste nicht, ob er sich dabei noch würde zusammenreißen können.
Der schwarze LaFayette-Viertürer, eine für diese Gegend völlig ungeeignete Zugmaschine, stand vor dem Wagen, die Scheiben mit blickdichten Eisblumen verziert. Jeden Morgen dauerte es eine halbe Ewigkeit und eine ganze Familiendosis in Gedanken heruntergebeteter »Aye Marias«, um das Ding wieder fahrtüchtig zu bekommen. Nun aber sah es aus, als könne es kein Wässerchen trüben. Mistkarre. Jack zögerte einen Moment, dann trat er zu dem Auto und zerrte so lange an der Fahrertür, bis sie sich leise quietschend öffnete. Er stieg ein, setzte sich und schloss sie wieder.
War es draußen schon still gewesen, so wirkte die Ruhe im Inneren des fast fabrikneuen Gefährts nahezu himmlisch. Seufzend griff Jack in die Tasche seines Mantels, holte den Flachmann hervor, den er sich eben hatte füllen lassen, und nahm einen tiefen Zug.
»Unerträglicher Reichtum, Mister«, hatte Bennett gesagt. War das wirklich erst anderthalb Monate her? Sie hatten sich in einer Bar in Seattle getroffen, und der drahtige, übereifrig scheinende Mittvierziger hatte ihn mit seinen Geschichten, seiner Begeisterung und dem Feuer in seinen Augen gleich beeindruckt. Bennett war gerade aus Yukon zurückgekehrt, einer Region im Nordwesten Kanadas, deren Name vor Jahrzehnten, im Zuge des großen Goldrauschs, einmal synonym für die Erfüllung unerreichbarer Träume gestanden hatte. Mittlerweile jedoch sah das anders aus.
Oh, Bennett wusste, wie man die Abenteuerlust eines Mannes weckte. Dellinger hatte lange genug in den Schlangen vor den städtischen Almosen- und Armenhäusern gestanden - während der kühle Washingtoner Regen auf ihn und die anderen Arbeitslosen herabgeprasselt war und neben ihrer Gesundheit auch den letzten Rest ihrer Würde weggespült hatte -, um zuzuhören, wann immer ihm jemand von Chancen berichtete, die angeblich auf den Tüchtigen warteten. »Dies ist immer noch Amerika«, hatte Bennett stolz getönt und ihn dabei mit diesem feurigen, ansteckenden Blick angesehen, während das Bier in seiner Hand langsam schal geworden war, »und das zählt. Depression hin oder her. Wer sein Glück finden will, wird es auch finden - so ist dieses Land einfach.«
Für einen Moment war Jack versucht gewesen, ihn darauf hinzuweisen, dass er von Kanada sprach, nicht von den Vereinigten Staaten, doch er hatte sich schnell genug fangen können. Niemand mochte einen Erbsenzähler.
»Ich sage Ihnen, Mister, ich war nicht zum letzten Mal dort. Spätestens in ein paar Wochen breche ich wieder auf. Ich bin nur hier, um meine Ausrüstung zu optimieren, denn diesmal geht es noch weiter nördlich.« Dabei hatte sich Bennett verschwörerisch umgesehen, als befürchte er unliebsame Zuhörer. »Ich habe da einen todsicheren Tipp bekommen, wo noch etwas zu holen ist.«
»Und wo soll das sein?«, hatte Jack gefragt, mehr belustigt denn wirklich interessiert.
Bennett hatte gelächelt, schien die Frage erwartet zu haben. Ohne Jack aus den Augen zu lassen, hatte er in seine Hosentasche gegriffen und etwas herausgeholt, was Jack noch nicht hatte erkennen können. »Schon mal was von Qikiqtaaluk gehört?«
»Gesundheit.«
»Man nennt sie auch Baffininsel, hoch oben im Norden. Dort gibt es noch Adern, die nie ein Mensch berührt hat. Große Adern.« Mit diesen Worten hatte Bennett die Faust geöffnet. Und noch heute, während er im eisig kalten Inneren des Wagens saß und in die kanadische Nacht hinaus starrte, empfand Jack Dellinger das gleiche elektrisierende Kribbeln wie damals, als Bennett ihm den Goldklumpen zum ersten Mal gezeigt hatte.
***
Und so lag er im Dunkeln, wartend, Kräfte sammelnd. Das Nichts, aus dem er gekommen war, hatte ihn Geduld gelehrt, und er war ein Meisterschüler gewesen. Nun zahlte sich das aus. Auf kalte Tage folgten noch kältere Nächte, und mit jedem eisigen Windhauch, der sich zu ihm verirrte und seinen schutzlosen und geschundenen Körper streifte, steigerte sich sein Zorn.
Eines Tages, dessen war er sich sicher, würde sich die Wut, die sich nach und nach in ihm aufstaute, ihre Bahn brechen - rücksichtslos und
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