0929 - Engelsblut
nicht mehr zu, aber innerlich gab ich Marcia recht.
Es war ein aus Blut geformter Totenschädel, der sich auf dem Teller abzeichnete.
Er ruckte plötzlich vor, ohne sich in die Höhe zu stellen, und dann glitt er über den Rand hinweg.
Zunächst berührte er nur teilweise den Tisch, dann wälzte er sich weiter voran und glitt über die Tischplatte hinweg. Wir hielten ihn nicht auf, wollten es auch nicht, denn er wanderte auf die Kante zu, darüber hinweg und schwebte langsam zu Boden, wobei er zwischen Marcia und mir liegenblieb.
Die Heilerin schaute mich an. »Ich begreife nichts mehr, John, gar nichts. Und du?«
»Im Moment bin ich sprachlos.«
»Wie konnte er entstehen?«
Ich hob die Schultern, obwohl ich eine Erklärung abgab. »Sicherlich durch mein Kreuz.«
»Das schon, aber…«
»Ich kann es dir nicht sagen, warten wir es ab. Jedenfalls hat sich das Blut selbständig gemacht und so etwas kommt auch nicht alle Tage vor, denke ich.«
»Das wohl nicht.«
Der Totenschädel aus Blut bewegte sich nicht von der Stelle. Er blieb nach wie vor zwischen uns liegen, als hätte er sich dort plaziert, um auf etwas zu warten.
Auch wir lauerten.
Die Spannung wuchs ins Unermeßliche. Ich schaute zu Marcia hin, die sich nicht rührte und ziemlich von der Rolle war. Sie wirkte nervös, schaute auf den blutigen Schädel, dann auf das Fenster und hob die Schultern.
»Weißt du wirklich nichts?« fragte ich.
»Nein.«
»Das glaube ich dir nicht.«
Sie winkte ab. »Es ist jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Das muß mit seiner Entstehung zu tun haben. Aber nicht hier, sondern in meiner Heimat Italien. Dort wurde der Engel getötet. Dort hat man sein Blut aufgefangen und es verwahrt.«
»Wo?«
»In einer Grotte unter einer Kirche. Ich habe es dort gefunden und mitgenommen.«
»Wußtest du schon von seinen heilenden Kräften?«
»Nicht genau«, gab sie zu.
»Aber man hat davon gesprochen?«
»In etwa schon. Ich habe es nur nicht so recht glauben können und wollte es hier ausprobieren.«
»Hast du es gestohlen?«
Marcia hob auf meine Frage hin nur die Schultern. Dann deutete sie auf den Schädel. »Was sollen wir denn jetzt mit ihm anstellen, John? Du bist der Fachmann. Hast du keine Idee?«
»Nein, Marcia, denn ich weiß nicht mal, ob er uns freundlich oder feindlich gesinnt ist.«
»Da habe ich auch keine Ahnung.«
Wir schwiegen. Ich war bereits der Meinung, daß dieser Fall noch einiges sicher nachziehen würde.
Möglicherweise auch in Italien, aber daran wollte ich jetzt nicht denken.
Der blutige Schädel rührte sich nicht. Nach wie vor blieb er bewegungslos auf dem Boden liegen.
Als ich mich bückte und dabei den Arm ausstreckte, erschrak Marcia. »Was tust du da?«
»Ich möchte nur etwas ausprobieren.«
»Und was?«
»Du wirst es sehen.« Mit der Spitze des rechten Zeigefingers tippte ich auf eine Stelle in der Mitte.
Ich hatte damit gerechnet, durch die Flüssigkeit gegen den Boden stoßen zu können, aber das war nicht der Fall. Die Haut fühlte sich an, als bestünde sie aus Gummi, denn sie hatte eine ähnliche Spannung.
Ich richtete mich wieder auf. »Es hat sich verändert«, erklärte ich Marcia.
Sie lächelte zuckend. »Glaubst du denn noch, daß sich da die alten Kräfte noch versammelt haben? Daß dieses Blut in der Lage ist, jemanden zu heilen? Oder haben wir es…?«
»Keine Ahnung.«
»Was ist mit dem Kreuz? Willst du es noch einmal einsetzen?«
Ich hatte auch schon daran gedacht, zögerte aber, weil ich über den Totenschädel nachdachte.
Weshalb hatte dieses Blut ausgerechnet seine Form angenommen?
Die Antwort konnte weder Marcia geben, noch fiel sie mir ein, denn wir hörten plötzlich aus dem Nebenzimmer ein dumpfes Geräusch, das auch von einem leisen Klirren begleitet wurde.
Das Fenster!
Jemand mußte ein Fenster eingeschlagen haben.
In diesem Augenblick dachten wir wieder an den Killer!
***
Och schaffe es! Ich muß es einfach schaffen, denn ich bin stark. Ich bin auch stärker als der Mann und die Frau. Ich werde sie vernichten, ich werde zuschauen, wie das Blut aus ihnen herausrinnt, und ich werde dazu laut lachen.
Mit diesen Gedanken und auch Worten trieb sich der Killer an, denn er brauchte diese Psycho-Peitsche. Er mußte selbst topfit sein. Er würde sich von niemandem mehr stören lassen.
Dennoch war er vorsichtig, als er sich dem Haus näherte. Den normalen Eingang ließ er links liegen.
An der Hauswand entlang schob er sich um die Ecke herum und
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