0929 - Engelsblut
hob.
»Er war nicht da?« fragte sie.
»So ist es.«
»War es der richtige Raum?«
»Ja.«
Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging zurück in ihr Arbeitszimmer. Ich folgte ihr langsamer, schaute aber noch in die anderen Räume hinein, sogar in eine kleine Abstellkammer, denn einen richtigen Keller gab es in dem Haus nicht.
Marcia wartete im Arbeitszimmer auf mich. Sie knetete ihre Finger und starrte dabei ins Leere, aber ihre Gedanken beschäftigten sich trotzdem mit dem Vorfall.
»Was kann er vorhaben?« flüsterte sie. »Was kann er sich nur ausgedacht haben?«
Wir erhielten zwar keine Antwort, aber es passierte trotzdem etwas. Laut und schrill meldete sich die Türglocke, so daß wir beide erschraken.
Ich wollte noch nicht hingehen, aber ich wurde gezwungen, denn plötzlich hörten wir beide die Männerstimme. Obwohl der Killer im Flur stand, war sie zu verstehen.
»Öffne, Marcia! Öffne! Wenn nicht, macht diese kleine Göre gleich ihren letzten Schnaufer!«
Einen Moment später hörten wir den weinerlichen Schrei eines Kindes…
***
Ich bin ein Glückspilz, dachte Bill Gates. Ich bin so ein toller Glückspilz.
Er lachte, denn das Schicksal hatte sich auf seine Seite gestellt. Er war wieder um das Haus herumgelaufen und hatte plötzlich das ihm unbekannte Mädchen gesehen. An der Haustür waren sie zusammengetroffen. Das Kind hatte aufgeschlossen und ahnte natürlich nicht, wer da hinter ihm das Haus betrat.
Bis die Kleine von hinten umklammert und so hart festgehalten wurde, daß sich ihre Arme gegen den Körper preßten und sie sich nicht mehr befreien konnte.
Das war nicht am schlimmsten. Als besonders schrecklich sah sie das Messer an, das der Fremde gegen ihren Hals drückte, und sie hatte auch schon den kleinen Stich gespürt, wobei ein Stück Haut aufgeplatzt war.
»Wie heißt du?« zischelte er ihr ins Ohr.
»Jessica«, hauchte die Kleine, die unter einem schweren Schock litt.
»Sehr schön, Jessica, sehr schön. Du bist für mich der Schlüssel zum Paradies und zur Hölle. Wir beide werden zusehen, daß man uns einläßt, verlaß dich drauf…«
***
»Geh!« hatte ich nur gesagt.
Marcia blieb noch stehen. »Und du?«
»Öffne die Tür - bitte!«
Sie nickte. Ihr Gesicht war verkrampft, ihre Schritte waren es ebenfalls, und dann bewegte sie sich wie eine Puppe mit Laufwerk auf die Wohnungstür zu.
Ich tauchte ab, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Unter dem Schreibtisch blieb ich hocken und peilte genau in Richtung Zimmertür. Dort würden die beiden wieder erscheinen, das stand fest.
Aus dem Flur hörte ich Geräusche. Die Stimme des Killers war nicht zu überhören. »Geh rein! Geh rein! Tu, was ich sage, sonst spritzt dir das Blut der Kleinen ins Gesicht!«
Ich stand kurz vor einer Explosion, denn ich wußte, daß dieser Hundesohn nicht bluffte. Aber ich mußte mich Zurückhalten und konnte nur darauf hoffen, eine Chance zu bekommen, um diesen Bastard zu überwältigen. Alles andere war zweitrangig.
Sie kamen auf das Zimmer zu. Ich hörte ihre Schritte. Die Tür stand noch offen, und in ihrem Rechteck erschien die Gestalt der rückwärtsgehenden Marcia, die beide Arme sicherheitshalber erhoben hatte.
Dann sah ich den Killer, und meine Wut steigerte sich zu einem regelrechten Haß.
Er hatte seine Verkleidung abgelegt. Es gab weder einen Bart, noch eine Brille. Nur auf sein Messer hatte er nicht verzichtet, und das klebte förmlich an der Kehle des Mädchens. Es wurde von der anderen Hand umklammert und vorgeschoben. Dabei war sein Gesicht zu einer starren Maske geworden. Ich sah ihm einfach an, wie stark es unter diesem verdammten Schock zu leiden hatte.
Beide hatten jetzt das Zimmer betreten, in dem sich Marcia bereits befand. Der Killer stoppte. Seine Augen schimmerten, als er sich umschaute. Das Gesicht sah ölverschmiert aus. Er bewegte auch den Kopf, wie jemand, der etwas suchte. »Wo ist er?«
»Wer?«
Bill Gates greinte wie ein kleines Kind. »Du weißt es genau, du Hure. Du weißt es. Ich meine den Mann!«
»Er ist nicht hier.«
»Wo ist er dann?«
Ich betete und zitterte, daß Marcia die Nerven behielt. Denn viel kam jetzt auf sie an. »Im Bad!« flüsterte sie. »Ich - ich habe ihn ins Bad gelegt.«
»Gelegt?« echote Gates. »Du hast ihn in das Bad gelegt? Warum hast du das getan?«
»Weil er tot war.«
»Ach…«
»Dein Stich, dein Messer - es hat ihn getötet. Wirklich. Ich konnte nicht mehr helfen.«
Gates überlegte einen Moment. Dann
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