0929 - Engelsblut
dachten sie nie. Er schaute dann nur zu, wie sie zusammensackten und in ihrem Blut liegenblieben.
Gut war das, sehr gut…
Leicht geduckt ging er los. Der Boden lag glatt vor ihm. Er war etwas grob asphaltiert worden und wirkte wie ausgetrocknet. Je näher er an den Wagen herankam, um so deutlicher vernahm er das Keuchen und die Wortfetzen.
Wie schmutzig die Frau daherredete. Grauenhaft und furchtbar - jedenfalls für den Mörder. Er knurrte wieder wie ein Tier.
Dann duckte er sich. Noch einige Schritte, und er hatte sein Ziel erreicht.
Der Stein war handlich. Vorn lief er spitz zu, wobei die Spitze allerdings leicht abgerundet war. Er würde damit die Scheibe zertrümmern, und er hatte sich auch schon die Seite ausgesucht. Die rechts, wo der Fahrer saß - normalerweise. Der würde seinen Mörder nicht sehen können, auch wenn er nach draußen schaute, denn die Scheiben waren beschlagen.
Der Killer ging schneller.
Bilder zuckten auf diesen letzten Metern durch seinen Kopf. Er sah das Gesicht seiner Mutter, die ihn anlächelte, dabei allerdings ihren Mund verzerrt hatte und nickte.
Sie hatte ihm das Zeichen gegeben.
Wunderbar…
Mutter hatte nichts dagegen.
Er freute sich und hob den linken Arm, um die Scheibe einzuschlagen.
Ausholen, zuschlagen und…
Das junge Paar war völlig überrascht worden. Sie starrten den Störenfried an, nackt wie sie waren.
Das junge Mädchen mit den blonden Haaren sah aus wie ein erschreckter Engel, als es in das böse Gesicht des Killers starrte.
Der junge Mann verharrte in seiner ungewöhnlichen Haltung. Er würde Mühe haben, sich rasch umzudrehen.
Der Killer nickte und kicherte.
Dann stieß er zu! Das Messer war wie eine Schlange, die blitzte, vorzuckte, wieder zurückschnellte, nachdem sie die Ziele getroffen hatte.
Er traf immer.
Auch hier…
***
Marcia Morana hatte gespürt, daß dies keine gute Nacht war. Abgesehen von dem schwülen Wetter, da kamen noch andere Faktoren hinzu, die sie störten. Für sie war diese Nacht auf eine andere Art und Weise gefährlich, und eigentlich war es besser, wenn sie im Bett blieb.
Das tat sie nicht.
Die Dunkelheit war kaum hereingebrochen, als die Unruhe zu stark wurde. Marcia konnte nicht in den Räumen bleiben, nicht in den privaten und auch nicht in denen der Praxis, wo sie ihre Patienten empfing. Das Kribbeln in ihrem Innern war schlimm. Das Blut hatte sich aufgeheizt, und es fing an zu kochen.
Blut, Blut, Blut…
Daran mußte sie denken, als sie sich in einen Sessel fallen ließ. Etwas war anders geworden. Es kam ihr vor, als hätte man ihr die Realität einfach weggezogen und sie in eine andere Welt gestellt. Das Brausen störte sie nicht mal. Sie war es gewohnt, wenn es ihre Ohren durchtoste, aber die fremde Realität wurde für sie zu einem Horror. Sie konnte nicht in die Zukunft schauen, aber sie schmeckte plötzlich den süßlichen Blutgeschmack auf der Zunge, fing an zu zittern und wußte, daß sie gebraucht wurde.
In dieser Nacht würde es passieren. Sie war ideal für schlimme Dinge. Es gab nicht viele Menschen, die sensibel genug waren, um das zu spüren, aber Marcia gehörte dazu.
Eine Gabe? Ein Fluch?
Marcia wußte es nicht. Sie sah es mehr als Gabe an, im Normalfall, nun aber dachte sie wieder in die andere Richtung und konnte sich nicht dagegen wehren.
Sie mußte weg. Es war ihr unmöglich, in der Wohnung zu bleiben. Etwas hätte sie sonst aufgefressen.
Marcia stand auf. Die Wohnung lag im Souterrain. Sie war für sie wie ein Gefängnis. Sie konnte nicht mehr frei atmen, selbst in den Arbeitsräumen nicht, wo sie ihre Patienten und Kunden empfing.
Da war sie als Madame Marcia, die Heilerin, bekannt. In der Tat hatte sie schon vielen Menschen geholfen, und das auf eine Art und Weise, wie es kaum nachvollziehbar war.
Sie schaltete das Licht in den anderen Räumen aus und ließ nur noch die Lampe im Flur brennen.
Dort hing auch der Spiegel neben der Garderobe, eine helle Fläche, die von einem sehr dunklen Rahmen umgeben wurde.
Marcia blieb stehen, um sich anzuschauen. Sie sah eine Frau mit dunklen Haaren, die sehr straff zurückgekämmt waren. Im Nacken bildeten sie keinen Knoten, da wurden sie von einer Spange gehalten. Mit dem Gesicht war sie zufrieden. Es war glatt und faltenlos, wirkte künstlich. Dunkle Brauen, eine kleine Nase und ein breiter Mund. Die Stirn war hoch und ebenfalls faltenlos, und die Augen wirkten wie kleine, dunkle Kirschen.
Marcia war noch nicht alt, höchstens dreißig,
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