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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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daß die Flamme stärker tanzte. »Ja, wir waren uns einig, und wir werden auch jetzt zu keiner Einigung gelangen. Dieser Mann, diese Person oder wer immer es auch sein mag, ist kein Engel. Er ist, er ist…« Sie wußte nicht mehr weiter und wischte mit der freien Hand über ihre Stirn, wo sich ein feuchter Film gebildet hatte. »Für mich ist dieser Mensch - diese Person - kein Engel. Es ist ein Mensch, oder es ist eine Kreatur, die menschliches Aussehen angenommen hat.« Sie stöhnte auf.
    »Kreatur?«
    »Si, Signore Sinclair!«
    »Können Sie mir das genauer sagen?«
    Alexa Tardi starrte mich an. In ihren Pupillen tanzten die Reflexe der Kerzenlichter. »Das kann ich, aber ich möchte es nicht. Dieser Ort hier unten gehört für mich noch zu der Kirche, auch wenn er mehr wie ein altes Grab anmutet. Ich kann diesen Namen nicht in den Mund nehmen.«
    »Soll ich ihn sagen?«
    »Nein!« rief sie schrill und streckte ihren freien Arm aus. »Ich will ihn nicht hören.«
    »Ist er ein Dämon?« Meine Stimme hatte laut geklungen, und Alexa Tardi, die noch etwas hatte sagen wollen, stockte mitten im Satz. Sie kriegte eine Gänsehaut, sie fror beinahe auf der Stelle ein, und sie schüttelte wieder den Kopf. Dann schnellte sie in die Höhe, lief von der Luke weg und rannte nicht zurück in die Sakristei, sondern blieb noch über mir stehen, denn ich hörte ihr Schluchzen.
    Mit meiner Folgerung mußte ich wohl den Nagel auf den Kopf getroffen haben, aber ich hatte sie damit auch geschockt.
    Der Engel-Dämon oder wer immer es sein mochte, rührte sich nicht. Er lag auch weiterhin im Tiefschlaf, doch die Fragen waren auch weiterhin offen geblieben, und auf Antworten wartete ich bei ihm vergeblich. Die konnten mir nur Alexa Tardi und vielleicht die Frauen aus dem Ort geben.
    Ich kletterte durch die Lukenöffnung in den tanzenden Lichtschein hinein, der über den Boden zuckte. Schatten schnappten wie kleine Mäuler an den Wänden hoch, bevor sie sich verloren, als wären sie von dem Gestein aufgesaugt worden.
    Ich ging auf die Frau zu, die sich nicht umdrehte, ihren Rücken gekrümmt hatte, sich mit einer Hand an der Wand abstützte und weinte.
    Sie schauderte zusammen, als ich sie anfaßte, aber so einfach war sie nicht zu beruhigen.
    Erst als ich sie in die Sakristei geführt und sie auf einen Stuhl gesetzt hatte, fing sie sich wieder. Sie schneuzte sich, wischte die Augen trocken, und ich kümmerte mich inzwischen um die Kerze, die ich in einen Leuchter klemmte.
    »Ist es wieder gut?« fragte ich sie. Alexa schüttelte den Kopf. »Aber Sie können reden?«
    »Was wollen Sie denn noch wissen?« stöhnte sie auf.
    »Einiges.«
    »Es ist nicht zu erklären«, flüsterte sie. »Es ist einfach unerklärbar. Sie müssen mir dies glauben. Ich kann es nicht. Ich - ich - bin von - von - ich bin einfach zu schwach für derartige Dinge. Ich habe keine Ahnung, wirklich nicht.«
    »So würde ich das nicht sehen, Signora Tardi. Schließlich haben Sie ihn mir gezeigt.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Warum taten Sie es?« Sie hob den Kopf und schaute mich an. Ich hatte mir einen zweiten Hocker genommen und saß ihr gegenüber. Rechts von mir tanzte die Flamme leicht um und über den Docht hinweg, sie bildete eine helle Insel in der Finsternis.
    »Ich weiß es selbst nicht genau, Signore Sinclair. Vielleicht haben Sie mir ein gewisses Vertrauen eingeflößt, obwohl sie mit ihr kamen.«
    »Ja«, murmelte ich, »mit ihr. Diese Antwort zeigte mir, daß Sie Marcia Morana nicht eben positiv entgegenblicken.«
    »Was soll ich dazu sagen?«
    »Alles.«
    »Wieso?«
    »Was hat sie getan?«
    Alexa schwieg. »Können Sie sich das denn nicht selbst denken?« fragte sie nach einer Weile.
    »Es kommt darauf an, wie man die Dinge sieht. Zunächst hat sie sich um diesen Engel gekümmert.«
    »In der Tat.«
    »Sie hat ihm das Blut genommen, nicht wahr?«
    Die Frau vor mir nickte verkrampft. Dabei bewegte sie den Mund, aber kein Wort kam über ihre Lippen.
    »Wie konnte das geschehen?«
    »Das wissen wir nicht. Er war plötzlich hier, und Marcia hat von einer Erscheinung gesprochen, die ihr widerfahren war. Sie veränderte sich, und sie tat so, als wäre ihr die Mutter Gottes erschienen. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Sie war plötzlich wer, und sie sagte zu uns, daß man ihr eine Aufgabe übermittelt hätte.«
    »Welche denn?«
    »Das ist nicht schwer zu sagen. Man hat ihr eben die bestimmten Kräfte gegeben.«
    »Die heilenden.«
    »So muß es gewesen

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