0939 - Das Gesetz der Dynastie
dauerte einige Sekunden, bis er sich entschieden hatte, was er diesem Geschor darauf antworten sollte. Er entschied sich dazu, bei der Wahrheit zu bleiben.
»Ich bin Lakirs Gast auf dieser Welt. Man hat mich hierher gebracht, weil es möglich ist, dass einige Leute nach meinem Leben trachten. Weißt du…«
Geschor unterbrach ihn. »Ich weiß alles von dir. Du hast deine Vergangenheit verloren, all das, was einmal dein Leben ausgemacht hat, ist verschwunden. Lakir hat mir von dir erzählt.«
Ted trat einen Schritt auf die Kugel zu. »Und? Was hat sie denn so über mich gesagt? Mag sie mich? Oder bin ich ihr eher lästig? Nun sag schon.«
Geschor verstand den Sinn dieser Fragen nicht und schwieg dazu. Doch das Kugelwesen, das aus den Fragmenten ungezählter Wurzeln bestand, die einst auserkoren gewesen waren, weiße Städte zu bilden, hatte Ewigk etwas ganz anderes zu sagen.
»Lakir sagt, ich soll heilen - das wäre der Sinn meiner Existenz. Dir hat man alles genommen, was einmal an Erinnerung und Wissen in deinem Kopf gewesen ist. Soll ich diesen Fehler beheben?«
Ted Ewigk begehrte auf. »He - mit meinem Kopf ist alles in bester Ordnung, Mann. Da muss niemand drin rumschrauben. Ich bin nicht blöde, weißt du?«
Geschor brauchte einige Momente, um diese Aussage für sich zu verarbeiten - schlussendlich ignorierte er die für ihn unverständlichen Worte ganz einfach. Er fing noch einmal von vorne an.
»Ted Ewigk, ich kann versuchen, die weiße Fläche in deinem Kopf wieder mit dem zu füllen, was ihr Vergangenheit und Erinnerung nennt. Willst du dich mir anvertrauen?«
Ted wusste nicht, was er antworten sollte. Wollte er das? Wollte er es wirklich?
Wollte er wieder der Mann werden, der - wie Professor Zamorra ihm berichtet hatte - kein Abenteuer scheute? Der Mann, der einst Herrscher über ein Sternenreich gewesen war? Der, der die halbe Galaxie durchquert hatte, so wie andere Menschen die Straßenseite wechselten? Wollte er auch all die Enttäuschungen, die Verluste und schmerzlichen Erinnerungen zurückhaben, die der alte Ted Ewigk durchlebt und erlitten hatte?
Oder wollte er der Junge bleiben, der soeben damit begonnen hatte, seine eigene Welt für sich zu erkunden? Wollte er vielleicht doch lieber dieses neue, frische und unbelastete Leben? Er erinnerte sich nur daran, dass er einen Stein besessen hatte, den er nach wie vor schmerzlich vermisste. Diese eine und einzigartige Verbindung - bewies sie ihm nicht, dass er im Grunde überhaupt keine freie Wahl hatte?
Ted wandte sich Geschor zu.
»Kannst du das wirklich? Und wie lange wird es dauern?«
Geschor konnte die Unsicherheit in seiner Stimme nicht verbergen.
»Ich denke, ich kann dir die verlorenen Farben deines ersten Daseins zurückbringen. Ob ich die gesamte Palette neu füllen kann, will ich nicht versprechen. Wie viel Zeit vergehen wird…«
Ted nickte. Er hatte verstanden. Ein feines Lächeln umspielte seinen Mund. Vielleicht würde Lakir den alten Ted ja mit vollkommen anderen Augen sehen?
»Gut, dann bin ich dazu bereit. Aber mach mir bloß keinen Scheiß, hörst du?«
Geschor hörte, doch er verstand diese Worte natürlich nicht. Ein Spalt öffnete sich in seiner Oberfläche. Gelbes Licht schlug Ted Ewigk entgegen, Licht und Wärme. Die Kugel war also hohl, wie Ewigk es sich schon gedacht hatte.
Seine Beine schienen nicht einverstanden mit der Richtung, die Teds Wille ihnen aufzwang. Doch sie mussten schließlich gehorchen.
Als Ted Ewigk seinen Fuß in das Innere der Kugel setzte, flutete eine merkwürdige Ruhe sein gesamtes Ich.
Er atmete tief ein.
Es kam ihm vor, als wäre er bei sich selbst angekommen.
***
Auf der Zentralwelt der DYNASTIE DER EWIGEN lag der Kristallpalast, der Sitz der ERHABENEN, die dort während der Zeit ihrer Herrschaft residierten. Nur schwerlich konnte man in der Galaxie ein Domizil eines mächtigen Herrschers finden, das diesen Palast an Düsternis übertreffen konnte.
Hier wurden keine rauschenden Feste gefeiert, keine prachtvollen Empfänge oder gar ausgelassene Feiern. Das war schon immer so gewesen. Es war nicht verwunderlich, dass in der Bevölkerung der Kristallpalast einen ganz anderen Namen trug: Palast der Tränen.
Als Nazarena Nerukkar zur ERHABENEN wurde, hatte so mancher gehofft, eine Frau würde diesem Palast eine neue Note verleihen - Offenheit vielleicht, Licht und Farben gar? Das Gegenteil war eingetreten, denn dieser Ort war für Nazarena nicht mehr als eine Notwendigkeit. Sie musste
Weitere Kostenlose Bücher