0940 - Die Zombie-Zeche
Dann wischte sie mit ihrer Hand vor dem Gesicht her, als wollte sie dort den Schein zur Seite putzen, und dabei stieß sie einen wütenden Laut aus.
»Verstehst du das?« fragte Suko.
»Nein, aber es könnte sein, daß ich mit meiner Vermutung recht behalte.«
»Na ja, ich weiß nicht.«
Die Frau atmete heftig. Sie war wütend, sie war erregt, aber sie hörte zu, wie ich sie ansprach.
»Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, Mrs. Bennet, aber ich kann Ihnen sagen, daß die große Gefahr vorbei ist. Sie brauchen keine Furcht mehr zu haben. Deshalb sollten Sie von diesem Loch wegkommen.«
»Nein.«
»Bitte…«
»Es ist noch nicht vorbei«, sprach sie. »Ich weiß es. Er hat mir gerufen.«
»Wer?« Ich fragte und ging einen Schritt weiter, aber dagegen hatte die Frau etwas.
»Bleibt stehen!« kreischte sie uns an. »Bleibt stehen! Wenn ihr euch bewegt, egal ob einen Fuß oder eine Hand, dann werde ich springen. Dann gehe ich zu ihm.«
»Gut, Mrs. Bennet, wir werden uns nicht bewegen. Wir bleiben hier stehen, aber es gibt ihn nicht mehr!«
»Doch, er ist noch da. Er hat mich gerufen.«
»Hat er auch einen Namen?«
Sie zwinkerte mit den Augen. »Er ist so alt wie die Welt. Er herrscht in der Tiefe. Ich spürte nur seinen Geist, seinen Ruf. Damals hat er alles hier beeinflußt, da war es sein Gebiet. Da war er der Herrscher, der absolute König. Ihm haben viele gedient, da wollte er sein Reich eröffnen.«
Ich kam noch immer nicht klar, aber ich hatte meine Gedanken in eine bestimmte Richtung gelenkt. »Ist es Luzif er gewesen? Oder war es eine Kreatur der Finsternis?«
Bei meinen Fragen hatte sie schon den Kopf geschüttelt. Er war es also nicht. Ein anderer, ein Mächtiger. Ich wußte nicht mehr Bescheid.
Irgendwie dachte ich auch an die großen Alten, an den Spuk, aber die Frage konnte ich nicht mehr stellen, weil mir Helma Bennet zuvorkam.
»Wir haben ihn gespürt«, sagte sie. »Görden und ich merkten, daß er in einer Welt herrschte, die ihm mal gehörte, die aber dann verschwunden war. Einfach weg. Begraben unter immensen Massen. Er war ein Götze, ein Erdgott, er wollte sein Reich errichten, nachdem er verstoßen worden war. Er wollte sein Leben auf einer Erde, von der ihm nur ein Teil gehörte. Ein wunderbares Land wollte er erreichen, aber dann kam die große Katastrophe. Sie begrub alles, auch ihn. Es hat Millionen und Abermillionen Jahre gedauert, bis er sich befreien konnte.«
»Wie heißt er?«
»Er hat keinen Namen. Er ist der Herrscher der Tiefe. Er ist alles. Er ist die Macht, er ist das Böse, und er hat mich gerufen, zu ihm zu kommen. Wir haben von ihm erfahren, mein Mann und ich, und wir waren davon erschreckt und begeistert. Er hat überlebt, er ist nicht tot. Seine Kraft lebt weiter.« Sie streckte den Zeigefinger aus und deutete zu Boden. »Dort unten befindet sich seine Heimat, denn ihm gehört die Erde.«
»Gibt es ihn noch? Oder ist er ein Geist?« fragte ich.
»Er ist alles.«
»Darf ich ihn sehen?«
Neben mir atmete Suko scharf aus. Er wußte, was es bedeutete. Wenn ich ihn zu Gesicht gekommen wollte, mußte ich dicht an das Loch heran und hineinschauen, was natürlich gefährlich war.
Helma Bennet zögerte noch. Dann nickte sie mir entgegen. »Ja, aber nur du, John Sinclair.«
»Gut, ich werde kommen.«
Suko leuchtete, während ich meine Lampe wieder verschwinden ließ. Ich ging bewußt mit langsamen Schritte, weil ich die Frau keinesfalls nervös machen wollte.
Sie hatte sich umgezogen und trug einen Mantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte und ziemlich weit geschnitten war. Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Ihre Augen sahen aus wie im Fieber. Sie stand unter einem anderen Einfluß. Sie starrte mich an und schaute zugleich durch mich hindurch.
Etwas stimmte nicht.
Ich hatte die Hälfte der Strecke zurückgelegt, und sie rührte sich noch immer nicht. Helma wartete ab, und ich merkte, wie sich der Boden unter meinen Füßen veränderte. Er wurde unebener. Die unterirdische Kraft hatte ihn aufgewühlt. Dreck und Steine lagen im Weg, und vor mir lag das Loch wie ein übergroßes Auge, über dem der Strahl aus Sukos Leuchte hin wegfloß.
Helma Bennet schaute nach unten. Sie bewegte jetzt ihren Mund. Ich sah das heftige Zucken. Vielleicht hatte sie aus der Tiefe eine Botschaft von ihrem unbekannten Dämon erfahren, das alles wußte ich nicht, denn noch konnte ich nicht hineinschauen.
Ich ging jetzt schneller.
Mein Kreuz warnte mich nicht.
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