095 - Der leuchtende Schlüssel
Augenblick ging das Licht aus. Rasch folgte sie einer unbewußten Eingebung, sprang in das Zimmer zurück, das sie eben verlassen hatte, schlug die Tür krachend zu und drehte den Schlüssel um.
In der nächsten Sekunde warf sich jemand von draußen mit vollem Gewicht dagegen. Sie hatte keine Waffe, wußte nur, daß eine Schere auf dem Tisch lag.
Wieder donnerte der Eindringling gegen die Tür, die Füllung krachte bedenklich.
»Ich habe einen Revolver und schieße, wenn Sie nicht gehen!« rief sie.
Darauf folgte Schweigen. Hastig sprang sie zum Fenster und riß es auf. Jetzt mußte sie eine gute Schauspielerin sein, sonst kostete es ihr Leben.
»Mr. Smith, sind Sie das? Klettern Sie die Feuerleiter herauf!« schrie sie so laut sie konnte.
Wieder krachte die Türfüllung. Da kam Mary ein Einfall. Sie nahm den Hörer und wählte die Nummer der Polizeistation:
»Ein gewisser Moran versucht, in mein Zimmer einzubrechen - Leo Moran, bitte erinnern Sie sich an den Namen, falls mir etwas geschehen sollte, hier spricht Mary Lane...« Sie ließ den Hörer fallen und schlich zur Tür. Leise ging jemand den Korridor entlang; das Geräusch wurde schwächer, bis sie nichts mehr hörte.
Mary Lane sank zu Boden, und diesmal war sie wirklich ohnmächtig geworden.
Erst das heftige Klopfen und die erregte Stimme Dick Allenbys brachten sie wieder zu sich. Schwerfällig erhob sie sich, drehte den Schlüssel um und sah Dick und den Chefinspektor eintreten. Aber sie hatte kaum ein paar Worte gesprochen, als sie wieder bewußtlos wurde.
»Es ist wohl besser, Sie rufen eine Krankenschwester«, sagte Surefoot. »Ich fürchtete schon, ich würde sie nicht mehr lebend antreffen!«
Dick rieb Marys Gesicht mit einem nassen Tuch ab. Er war so besorgt um sie, daß er sich im Augenblick nicht einmal dafür interessierte, wie der Chefinspektor von der großen Gefahr Kenntnis erhalten hatte. Surefoot hatte ihn in seinem Klub anrufen lassen, und beide waren zu gleicher Zeit vor dem Haus angekommen.
»Ich erhielt eine telefonische Meldung von dem Beamten, der sie beobachtete«, berichtete Smith. »Er erzählte mir die Geschichte, die sie ihm mitgeteilt hatte, und ich beauftragte ihn, sofort zu ihrer Wohnung zurückzukehren und dort zu bleiben, bis ich käme. Eine halbe Stunde später ruft mich der Kerl an und sagt mir, daß er den Hof und die Nebenstraße durchsucht und niemand gefunden habe! Können Sie sich so etwas vorstellen?«
Mary hatte die Augen wieder geöffnet, und ein paar Minuten später richtete sie sich auf. Sie sah bleich und angegriffen aus, aber sie war jetzt ruhig genug, um erzählen zu können.
Die ganze Nacht hindurch waren Beamte von Scotland Yard unterwegs, um London und die Vorstädte nach einem bestimmten Mann zu durchsuchen. »Möglich, daß er von einer Frau begleitet wird«, stand in der offiziellen Benachrichtigung. Dann folgte eine genaue Beschreibung des Paares.
Auf den Rat des Che finspektors hin zog Mary in ein ruhiges Hotel in der Nähe des Haymarket. Surefoot nahm an, daß ihr jetzt nichts mehr passieren würde, nachdem das Geheimnis von Washington Wirth bekannt war. Er hätte sie vielleicht töten können, um zu verhindern, daß sie sein Geheimnis preisgab, aber nachdem sie nun mit ändern darüber gesprochen hatte, war sie wohl nicht mehr bedroht.
»Ich hoffe es auch«, sagte sie kleinlaut. »Als Detektiv habe ich nichts geleistet.«
Surefoot räusperte sich.
»Ich kann schlecht Komplimente machen. Im übrigen haben Sie ja schließlich nun den Täter gefunden und entdeckt, wie die Bankfälschungen zustande kamen.«
An dem Abend, an dem Mary ihr Abenteuer erlebte, hatte Surefoot seinem Freund in Chikago telegrafiert und ihn um alle Einzelheiten über den amerikanischen Gangster Ryan gebeten, der augenblicklich in England arbeitete. Nun ersuchte er das New Yorker Polizeipräsidium noch um telegrafische Übermittlung einer Fotografie.
Als der Chefinspektor das Bild in Händen hatte, ging er zu Morans Bank. Es wurden alle Bücher durchgesehen, aber man konnte keine weiteren Unterschlagungen feststellen.
»Vielleicht hilft Ihnen eine kleine Mitteilung, die ich Ihnen machen kann«, sagte der Generaldirektor. »Moran hat seinen Dienst bei der Bank einige Jahre unterbrochen. Während dieser Zeit war er in Amerika. Wir nehmen an, daß er damals an der Börse spekuliert hat - er selbst hat darüber nie genaue Angaben gemacht.«
»Merkwürdig«, erwiderte Surefoot, erklärte aber nicht weiter, was er mit
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