0953 - Der Vampirwolf
wußte nicht mal, ob er überhaupt richtig gehandelt hatte. Das wollte der Pfähler ändern, deshalb griff er in seine Tasche und holte das Pendel hervor. Er hob den linken Arm hoch und ärgerte sich darüber, daß der Stein im Rhythmus der Fahrbewegungen mitschwang, so konnte er leider nicht erkennen, ob sich der Vampirwolf in der Nähe befand oder nicht.
Das Pendel war außer Kraft gesetzt worden.
Daran hatte er nicht so richtig gedacht, und er ärgerte sich auch darüber.
Trotzdem behielt er das Pendel hoch. Der Stein schwankte vor seinem Gesicht, und er konnte gegen das Gesicht auf der Vorderseite schauen, wo sich die Fratze abmalte.
Ein häßliches Bild. Eine gekrümmte Nase, zwei hervorquellende Augen, so zeichnete man zumeist die Hexe in dem Märchen Hänsel und Gretel. Aber der Stein war wichtig für ihn, auch wenn die Ausschläge in diesem Moment einen natürlichen Ursprung besaßen.
Er sah doch etwas.
Es hing mit den Augen der Fratze zusammen, denn in ihnen entdeckte er plötzlich ein Schimmern.
Einen schwachen, rötlichen Schein, ein huschendes Licht, nicht mehr.
Das Zeichen!
Der Pfähler hielt den Atem an. Er spürte wieder die innere Hitze, so aufgeregt war er plötzlich. Hier hatte ihm das Pendel genau den richtigen Weg gewiesen.
Es spürte die Nähe des Bösen.
Aber wo? Wo, zum Teufel, hielt es sich verborgen?
Marek merkte, wie ihn das Jagdfieber übermannte. Er kannte dieses Gefühl. Es trat immer dann ein, wenn die Gefahr ziemlich nahe war. In seinem Waggon hielt sich die Blutbestie nicht versteckt, aber es gab noch genügend andere in der Nähe. Die Ausstrahlung des Bösen mußte ungemein stark sein, sonst hätte sich das Pendel nicht gemeldet.
Marek wollte nicht mehr sitzen. Er drückte sich in die Höhe, was gar nicht mal einfach war, denn der verdammte Waggon schaukelte und vibrierte noch immer.
Dann aber stand er und schaffte es auch, breitbeinig stehenzubleiben.
Er tarierte die Pendel- und Schwingbewegungen aus, näherte sich der Tür, weil er dort einen breiteren Spalt gesehen hatte, durch den die Helligkeit sickerte. Frantisek wollte nachschauen, wohin die Reise ging und ob sie schon den unmittelbaren Bereich des großen Bahnhofs verlassen hatten.
Er mußte dicht an den Spalt herantreten, zuckte aber zurück, weil die kalte Zugluft schneidend in sein Auge fuhr. Er wischte es ab, holte Luft und schaute noch einmal nach, wobei er diesmal vorsichtiger zu Werke ging.
Ja, der Bahnhof lag hinter ihnen. Sie rollten bereits durch die Vororte der Hauptstadt, mit denen man wahrhaftig keinen Eindruck schinden konnte.
Die hohen Plattenbauten, in die Menschen hineingepfercht worden waren, glitten an ihm vorbei.
Dazwischen sah er die Straßen, dann die zahlreichen Baracken, die Abfallhaufen, die ausgeschlachteten Autos. Er sah auch ein Zigeunerlager, und Marek dachte daran, wie sehr die Menschen in dieser Kälte leiden mußten.
Zum Glück deckte der Schnee das meiste zu. Er wirkte wie ein großes Leichentuch, das das meiste Elend vor den Augen der Menschen einfach verbarg.
Zwar kannte sich Marek in der Hauptstadt nicht unbedingt aus, aber die Lage des Güterbahnhofs war ihm schon bewußt, und er rechnete damit, daß sie in Richtung Norden rollten, hinein in die breite Tiefebene, in der es keinen Wald gab. Erst in der Nähe von Pitesti würden wieder die Berge beginnen, und wenn die Fahrt weiterging, konnten sie durchaus die ungarische Grenze erreichen.
Die Fracht und damit das Ziel der Reise war für ihn zweitrangig geworden. Ihm ging es einzig und allein um die Bestie, die auf der Jagd nach neuen opfern war.
Sollte sie sich tatsächlich in seiner Nähe aufhalten, mußte sie ihn gespürt haben.
Der Pfähler löste sich aus der Umgebung der Tür und ging zu den Säcken Zurück, wo er sich niederließ und sich mit dem Rücken dagegenlehnte.
Er hörte das Knirschen der Metallstücke, spürte den trotzdem weichen Druck in seinem Rücken und holte wieder das Pendel hervor. Normal einsetzen konnte er es nicht, denn die Schaukelei der Waggons hatte auch nach dem Verlassen des Bahnhofs nicht aufgehört.
Marek brauchte den Arm nicht zu heben. Sein Blick fraß sich am Gesicht auf dem Pendel fest.
Plötzlich schlug das Herz noch schneller als zuvor.
Er sah in die Fratze, und er schaute in die Augen.
Sie leuchtete knallrot.
Die Bestie war nah!
***
Der Vampirwolf lag auf dem Dach!
Er war weder das eine noch das andere. Sein nahezu menschliches Gesicht war nur deshalb so entstellt, weil
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