0953 - Der Vampirwolf
trotz der Kälte durch sein Gesicht.
Da war etwas.
Nicht er hatte es aufgespürt, sondern das Pendel. Es hatte sich leicht bewegt, gezittert, und plötzlich erlebte der Pfähler den ersten Ausschlag.
Der Stein mit dem Gesicht der alten Zunita darauf, bewegte sich diesmal von allein.
Er schlug nach rechts, schwang wieder zurück, dann bewegte er sich nach links.
Er pendelte.
Zuerst hielt der Pfähler den Atem an, dann ließ er ihn zischend ausströmen. Er wußte plötzlich Bescheid, was hier geschehen war.
In der Nähe lauerte das Böse!
Es mußte der Vampirwolf sein, und Marek hatte plötzlich die Kälte vergessen. Er war wieder zu einem Jäger geworden, der seinem Namen alle Ehre machen wollte.
Andere hätten sich vielleicht aufgeregt oder die Nerven verloren. Nicht so Frantisek Marek. Er war und blieb eiskalt. Er spürte nur innerlich das Brennen, dieses Gefühl, den Blutsauger endlich in der Nähe zu wissen.
Sein Blick war nach unten gerichtet. Er beobachtete das Pendel. Es schwang von einer Seite zur anderen. Sehr leicht, als würde es von einer nicht sichtbaren Kraft geführt.
Marek konzentrierte sich auf die Augen in dem versteinerten Gesicht. Es sprang hervor. Die Augen waren böse Glotzer, und Marek sah darin das rötliche Schimmern.
Wieder durchschoß ihn die Lohe. Wenn die Augen anfingen zu leuchten, dann konnte das grausame Zielobjekt nicht weit entfernt sein. Plötzlich lächelte er. Es war das Lächeln des Wissenden und des Siegers. Irgendwo in der Nähe mußte die Bestie lauern.
Seine Annahme, daß sich der Vampirwolf möglicherweise in einem der Waggons verborgen hielt, um sich zu einem anderen Ziel transportieren zu lassen, verdichtete sich immer mehr. Er hatte es schlau angestellt und würde in dieser Umgebung wohl keine Opfer mehr hinterlassen.
Marek wollte und mußte etwas tun. Er überlegte. Ein Mensch wie er war frei. Was wichtig war, trug er bei sich. Geld und Papiere, und natürlich seinen Pfahl. Er würde sich nicht zurückziehen, er wollte bleiben, und er wollte auch das Knirschen der Knochen hören, wenn er seinen Pflock in den Körper des Monstrums jagte.
Noch war der Güterzug nicht abgefahren. Marek bekam die Chance, herauszufinden, wo sich der andere unter Umständen versteckt haben könnte. Er steckte das Pendel in die Außentasche seiner Jacke, wo es jederzeit greifbar war. Dann schob er seinen Körper vor und schaute nach rechts, an der Seite der Wagenschlange entlang.
Die Lok konnte er sehen.
Die Stimmen der Männer hörte er nicht mehr. Er glaubte auch nicht daran, daß die Bestie einen der weiter vorn angekoppelten offenen Waggons benutzen wollte. Auf ihnen lag Schrott.
Die geschlossenen Wagen schienen wichtiger zu sein.
Drei standen zur Auswahl, dann begann die Reihe der offenen Waggons. Marek bewegte sich an dem ersten vorbei. Er schleifte mit der Jacke an der Eiskruste entlang. In seinem Innern spürte er das berühmte Kribbeln des Jägers. Die Augen leuchteten kalt. Auf der linken Wange war ein Tränentropfen zu einer Eisperle gefroren.
Dann stand er neben der Schiebetür. Sie war geschlossen. Aber sie ließ sich leicht öffnen.
Beobachtet wurde Marek nicht, das hatte er mit einem schnellen Rundblick herausgefunden.
Er schaute sich die Tür an, die er aufschieben mußte, um in den Wagen zu klettern. Man hatte sie nicht mal mit einem Schloß gesichert. Marek nutzte die günstige Gelegenheit und umfaßte den Griff. Vorher legte er noch einen Hebel um, dann zerrte er mit beiden Händen und mit aller Kraft an der Tür, um sie in Bewegung zu setzen.
Der Pfähler wollte sie nicht ganz aufschieben. Ein Spalt reichte ihm bereits.
Er war nur ein wenig breiter als er selbst. Marek fand die Trittstufe, schwang sich hoch und zwängte sich hinein. Der Wagen war nicht bis zum Rand vollgeladen. Marek drehte sich. Kniend schob er die Tür wieder zu, um sich danach aufzurichten.
Tief atmete er durch.
Zwischen den Wänden war es kalt, aber nicht so schneidend wie draußen.
An sein Pendel dachte der Pfähler zunächst nicht. Wichtig waren für ihn die Realitäten, mit denen er sich vertraut machen mußte. Vor allem die Dunkelheit.
Als er wieder normal stand, knöpfte er seine Jacke auf. Darunter trug er den dicken Pullover, auch ein Hemd und unter der normalen Hose noch eine lange Unterhose. Die Schuhe waren so groß, daß er hatte zwei Paar Socken überstreifen können, und in den weiten Taschen der Hose steckte so einiges, was er benötigte, unter anderem ein altes
Weitere Kostenlose Bücher