096 - Die Gräfin von Ascot
sprach, beschränkte er sich nur auf unterirdische Gewölbe und Gefängnisse in den Adelssitzen. Dann äußerte er auch schon die Absicht, über unsere modernen Strafgefängnisse zu schreiben. Er hat mir das Buch schon vor vier Jahren versprochen -: ich habe aber noch keine einzige Seite seines Manuskripts erhalten. Er tut immer so geheimnisvoll damit. Glücklicherweise verlangt er keinen Vorschuß. Schließlich braucht er das ja auch nicht.«
»Ich dachte, er wäre nicht sehr vermögend?« fragte John. Zu seinem Erstaunen schüttelte der Verleger den Kopf. »Er ist ziemlich reich, aber geizig. Ich bin fest davon überzeugt, daß er mich heute morgen nur deshalb besucht hat, weil er nichts für das Telefon ausgeben wollte. Übrigens war er vor zwei Monaten auch bei mir, gerade an dem Tag, als die amerikanischen Börsen zusammenbrachen. Daher weiß ich auch, daß er ziemlich wohlhabend sein muß. An dem Tag hat er gegen dreißigtausend Pfund verloren, und doch tut er so, als ob nichts geschehen wäre. Es scheint ihm nichts auszumachen, und das kann doch nur der Fall sein, wenn er ein großes Vermögen hat. Er ist nicht nur reich, er will auch immer noch reicher werden. Er will eine sehr wohlhabende junge Dame heiraten - heute morgen hat er eine Bemerkung darüber gemacht. Wissen Sie vielleicht, um wen es sich handelt?« »Ich kenne eine solche junge Dame, aber ganz bestimmt wird er die nicht heiraten«, erklärte John grimmig.
Auch John Morlay bekam einen Beweis für Julians übertriebene Sparsamkeit, die man schon Geiz nennen konnte. Am nächsten Sonnabend kam Julian elegant gekleidet zu Morlay und bat, ihn im Wagen nach Ascot mitzunehmen. Julian machte aus seinem Herzen keine Mördergrube und erklärte unterwegs, warum er ihn um den Gefallen gebeten habe. Seinem Chauffeur zahlte er nur einen verhältnismäßig geringen Lohn, weil er ihm sonnabends und sonntags immer freigab. »Wenn er mich am Wochenende nach Ascot fahren sollte, würde mich das fast zwei Pfund kosten, ganz abgesehen vom Benzin.« »Sie sind ein ganz gemeingefährlicher Geizhals!«
»Regen Sie sich doch nicht auf, mein lieber Junge. Wenn Sie durchaus etwas zum Fenster hinauswerfen wollen, dann lesen Sie lieber Kieselsteine auf. Aber Sie sollten kein Geld wegwerfen, ein Pfund ist eben ein Pfund. Es kann Ihnen doch gleich sein, ob Sie mich im Auto mitnehmen oder nicht - kostet Sie ja keinen Cent mehr. Sie tun einem anderen damit einen Gefallen, das muß Ihnen doch eine innere Befriedigung geben.
Wenn ich in kleinen Dingen nicht sparte, wäre ich auch nicht imstande, Ihnen ein großes Honorar anzubieten, falls ich Ihre Dienste in Anspruch nehme. Und ich könnte auch nicht den Stoff für mein Werk sammeln.« »Ach, das Buch über die unterirdischen Gefängnisse?« Julian lächelte.
»Sie haben mit meinem Verleger gesprochen. Auch ein Mann, der niemals den Mund halten kann. Nein, ich schreibe nicht über unterirdische Gefängnisse, aber es wird trotzdem sehr interessant werden. Der Verleger hat mir zwar gesagt, daß ich kein Geld damit verdiene, aber mein Name wird bekannt.«
»Nun, das können Sie leichter erreichen, wenn Sie irgendeinen aufsehenerregenden Mord begehen«, entgegnete John ironisch. Julian schüttelte den Kopf. Er nahm die Bemerkung sogar ernst. »Ich kenne niemanden so gut, daß ich ihn umbringen könnte.« Sie mußten einige Zeit warten, bis die Schranken beim Eisenbahnübergang in Sunningdale geöffnet wurden.
»Es tut mir furchtbar leid, daß Sie meinen Auftrag nicht angenommen haben. Ich traue Ihnen nämlich vollkommen. Wahrscheinlich gibt es aber auch gar nichts Geheimnisvolles über Mrs. Carawood herauszubringen. Ich hoffe jedenfalls, daß es so ist.«
»Aber Sie vermuten doch, daß noch eine große Summe von dem Vermögen der jungen Gräfin Fioli übriggeblieben ist?« Julian nickte, ohne sich im mindesten zu schämen.
»Sie dürfen deshalb aber nicht glauben, daß ich Marie nur des Geldes wegen heiraten will.«
»Sie werden sie überhaupt nicht heiraten, mein Freund«, erwiderte John kurz. »Erstens mag sie Sie nicht, und zweitens dulde ich es nicht. Es wäre besser, wenn Sie sich darum kümmerten, daß endlich das Manuskript zu Ihrem Buch fertig wird.« Julian lächelte selbstzufrieden.
Das Haus in Ascot war wirklich nicht sehr groß. Die schöne Diele, mit weißer Holztäfelung verkleidet, war allerdings geräumig, aber Wohn- und Speisezimmer waren ziemlich klein.
Marie kam ihnen bis zur Haustür entgegen und führte
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