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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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willst ihm alles sagen - daß du Maries Vater bist und daß du einen Polizisten erschossen hast, bloß weil er hinter dir her war?«
    »Halt's Maul!« schrie er wild. Seine Hände zuckten.
    »Nun ja, das mußt du ihm doch mitteilen, wenn du ihm überhaupt etwas sagst. Glaubst du, er wird dir dann weiterhelfen? Nein, du kannst nicht wieder alles zugrunde richten! Du darfst ihr Leben nicht ruinieren!« rief sie. Sie konnte nicht länger an sich halten, sie sah nur noch das eine Ziel vor Augen, auf das es ankam.
    »Wenn die Göre überhaupt etwas wert ist, wird sie sich gern um mich kümmern. Ich bin ihr Vater - hast du das schon wieder vergessen?« Sie schaute ihn furchtsam an und erkannte, daß sie ihn nicht weiter reizen durfte. Vielleicht würde sich morgen ein Ausweg zeigen. Die plötzliche Freiheit hatte ihm den Verstand verwirrt. Wenn sie einen Antrag stellte, war es möglich, ihn in eine Anstalt zu bringen. Vor allem mußte sie jetzt dafür sorgen, daß er ruhig blieb, bis sie sich von Mr. Morlay Rat holen konnte. Morgen früh, bei hellem Tageslicht, würde alles nicht mehr so schrecklich sein.
    »Joe«, sagte sie nervös, »vielleicht war es nicht recht von mir daß ich nicht an dich gedacht habe. Du hast jetzt deine Tochter gesehen - habe ich denn keinen Erfolg gehabt? War es nicht richtig, was ich tat? Bist du nicht stolz auf sie?«
    »Immer kannst du nur von ihr quatschen. Wo bleibe ich?« fuhr er sie wütend an.
    »Spreche ich denn von mir? Ich habe doch auch auf alles verzichtet!« rief sie leidenschaftlich. »Was kommt es denn auf uns an? Was kommt es überhaupt auf Eltern an? Es sind die Kinder, denen die Zukunft gehört! Ist es nicht wert, ein Opfer für sie zu bringen? Ich habe diese ganzen Jahre immer nur für sie gearbeitet. Nein, Joe, du darfst es ihr nicht sagen und alles verderben!«
    »Doch, gerade das werde ich tun! Ich werde es ihr sagen, denn du sagst ja selbst, daß sie mein Kind ist. Sie muß vor allem für das Gute zahlen, das sie genossen hat!«
    »Darin irrst du - sie ist uns gar nichts schuldig!« rief sie verzweifelt. »Kinder sind ihren Eltern nichts schuldig, sondern Eltern schulden ihnen etwas! Wie viele Leute heute denken nur an sich - nur an sich, ohne sich um ihre Kinder zu kümmern! Glaubst du denn nicht, daß wir das Beste für sie tun müssen, wozu wir überhaupt in der Lage sind?« Aber die beiden redeten aneinander vorbei.
    »Ich bin ihr Vater«, erklärte er eigensinnig. »Und wenn sie das nicht begreift, werde ich es ihr schon beibringen. Wenn man natürlich so eine dumme Göre Mylady nennt, setzt man ihr Flausen in den Kopf, aber die werde ich ihr schon austreiben! Und dir bringe ich auch noch Vernunft bei! Wenn ich daran denke, was du alles für sie getan hast, und daß du das ebensogut für mich hättest tun können, dann packt mich die Wut! Sie hast du mit allem Luxus umgeben, und ich konnte derweilen im Gefängnis hocken!«
    Seine Stimme überschlug sich und klang schrill und laut. Einen Augenblick duckte er sich, dann sprang er auf sie zu. »All die vielen Jahre - die vielen Jahre!«
    Sie glaubte, das Ende all ihrer Leiden wäre gekommen, denn seine Finger packten sie an der Kehle.
    Es wurde ihr rot vor den Augen, und der Regen draußen wurde in ihren Ohren zum betäubenden Orkan. Es kam ihr nur noch der eine Gedanke, daß Marie in Gefahr käme, wenn sie jetzt stürbe. Schreckliche Bilder sah sie in diesen furchtbaren Sekunden.
    Sie konnte nicht länger kämpfen, sie konnte auch nicht beten, sie hatte nur noch den ungewissen Eindruck, daß sich die Tür öffnete. Dann ließ plötzlich der Druck an ihrer Kehle nach.
    Es war Herman. Er war in sein Zimmer zurückgekehrt und hatte angestrengt auf die Stimmen unten im Laden gelauscht. Das Gewitter hatte etwas nachgelassen; nach einem furchtbaren Donnerschlag hörte Herman draußen nur noch den Regen. Und als der Wind die Regentropfen gegen die Fenster peitschte, so daß die Stimmen von unten kaum noch zu hören waren, hielt er es oben nicht länger aus. Auf Strümpfen schlich er sich die Treppe hinunter, um sich zu vergewissern, daß Mrs. Carawood nichts passierte. Er wollte in der Nähe sein, wenn sie in Gefahr kam. Als er den furchtbaren letzten Wutschrei Joes und ein gurgelndes unheimliches Geräusch hörte, schlug sein Herz zum Zerspringen. Er riß die Tür auf und eilte hinein.
    Mit eisernem Griff packte er den Mann bei den Schultern und riß ihn zurück. Joe schwankte und starrte Herman an. »Scheren Sie sich zum

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