Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
Inseln aus rutschiger Schmiere auf den Flur gezaubert hatte. Nicole hockte neben einer solchen und deutete auf etwas, das eindeutig Schleifspuren waren.
    So mochte es aussehen, wenn jemand einen Leichnam hinter sich her zog.
    Zamorra blickte auf und sah den Gang hinab. Wie überall in diesem bizarren Gebäude lag er im Halbdunkel. Zamorras Augen blieben nur wenige Meter, bis ihr Blick vor der Schwärze kapitulieren musste. Es war totenstill. Einzig die Atemzüge seiner Gefährten drangen an seine Ohren. Wie immer.
    »Trotzdem hat man das Gefühl, beobachtet zu werden«, murmelte Ellie und riss ihn aus seinen Gedanken. »Oder?« Auch sie hatte von den Spuren im Staub abgelassen und sah nach vorn.
    Zamorra blinzelte, abermals überrascht von der Präzision, mit der die junge Campbell hinter seine Stirn zu schauen vermochte. »Ständig«, antwortete er nickend. »Können Sie ihn erlauschen ? Unseren großen Unbekannten? Wissen Sie, ob er wirklich da ist?«
    Sie schluckte und schüttelte den Kopf. »Ich - Es ist absolut seltsam. Normalerweise spüre ich hier nur Sie und die anderen. Weit und breit niemanden sonst. Wenn ich mich aber konzentriere…«
    »Ja?«, hakte er sanft nach, als sie nicht weitersprach. »Was dann?«
    »Hatten Sie jemals das Gefühl, Objekte könnten leben ?« Ellie sah ihn aus tiefblauen Augen an. Sie sah plötzlich weitaus jünger aus, als sie war. »Gegenstände hätten Gedanken, Gefühle?«
    Er schluckte. Ellies kindliches Wesen - zwischen ihr und Ben mussten gut und gern acht Jahre liegen - ließ ihre Ausdrucksweise recht simpel wirken, aber er verstand den Sinn hinter ihren Worten nur zu gut. Vielleicht gerade weil sie es so einfach formulierte. »Gegenstände. Wie zum Beispiel ein Haus.«
    Die junge Frau nickte. »Es klingt wahnsinnig und ist absolut unmöglich, aber hier… Wie gesagt: Wenn ich mich richtig doll anstrenge, habe ich manchmal das Gefühl, das Haus selbst hätte ein Bewusstsein. Aber der Eindruck ist immer zu flüchtig und schwach, als dass ich meine Hand für ihn ins Feuer legen würde.« Sie lachte leise auf, doch es lag kein Humor darin. »Wahrscheinlich sind meine Nerven schlicht überreizt. Hören Sie nicht auf mich, Professor. Hier spricht nur die blühende Fantasie eines unreifen Mädchens.«
    Er lächelte aufmunternd. Ellie mochte mit ihrer Selbsteinschätzung recht haben, aber im Gegensatz zu ihr war er noch nicht bereit, die Theorie eines Haus-Bewusstseins als Hirngespinst abzutun. Hatte er nicht selbst gestanden, sich zwischen diesen Fachwerkmauern ständig beobachtet zu fühlen? Nun, vielleicht lag das daran, dass das Gebäude überall Augen hatte, sozusagen! In den letzten Stunden war so viel Abwegiges geschehen, dass dieser Gedanke nur ins Muster passte.
    »Wie ich schon sagte«, murmelte Kyrgon und ballte die Hand zur Faust, als wolle er dem Dunkel vor ihnen drohen. »Da spielt wer Spielchen mit uns.«
    »Ich kann mir nicht helfen«, sagte Zamorra, »aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr teile ich Ihre Meinung.«
    ***
    »Nicole, passen Sie auf!«
    Sie hörte Bens Warnschrei, wirbelte herum - und es war schon zu spät. Lange, dürre Spinnenbeine schossen aus der Schwärze hinter ihr. Nicole sah die ätzende Feuchtigkeit auf ihrer Oberfläche, roch den Gestank. Bevor sie ihren Schreck überwunden hatte und reagieren konnte, hatten zwei der Extremitäten sie bereits in die Zange genommen.
    Die Berührung war grauenvoll. Nicole fühlte sich, als würde ihre Hüfte zwischen zwei heiße Bügeleisen gepresst. Dünne weiße Rauchfäden stiegen auf, wo die Spinnenbeine in Berührung mit ihrer modischen Kleidung kamen. Es wurde gefährlich heiß.
    Verflucht, warum hatten sie die Viecher nicht kommen hören? Immerhin hockten hier zwei Telepathen und zwei Dämonenjäger!
    Weil sie nicht gekommen sind, schoss es ihr durch den Kopf. Es schien die einzig logische Erklärung zu sein, wenngleich sie an Unmöglichkeit kaum zu überbieten war. Die Spinnen mussten sich nicht an uns anschleichen. In einem Moment waren sie weg, im nächsten hier.
    Nicole Duval wand sich und versuchte, rückwärts zu gehen, um aus der ätzenden Umklammerung zu fliehen, doch die noch immer im Dämmerschatten verborgene Spinne war abermals schneller. Ruckartig hob sie die Beine - und Nicole verlor den Boden unter den Füßen!
    In der Schwärze öffnete sich ein rotglühendes Maul!
    Nicole schrie auf, halb vor Schreck und halb, weil die Hitze rechts und links an ihrer Hüfte allmählich ein

Weitere Kostenlose Bücher