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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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weiter, offener. Obwohl Zamorra auch hier nur wenige Schritt weit sehen konnte, weil die schon fast vertraute Quasi-Dunkelheit alles beherrschte, schien ihm, als sei die Atmosphäre in dieser neuen Kammer eine andere.
    »Das versuchen Ben und Kyrgon gerade herauszufinden«, antwortete Nicole. »Sie sind da vorne im Dunkel und tasten sich vorsichtig vor.«
    »Und wenn sie sich nicht irren, haben sie soeben eine Lichtquelle gefunden«, drang plötzlich Bens Stimme aus den Schatten. Ellies älterer Bruder klang erleichtert. »Einen Moment bitte. Gleich sehen wir mehr.«
    Quietschende Laute folgten. Ben musste wohl an irgendeinem Gerät drehen.
    »Die Spinnen?«, fragte Zamorra seine Gefährtin. »Was ist mit denen?«
    Nicole half ihm endgültig auf die Beine. »Das Übliche. Sowie wir jenseits der Schwelle waren und die Tür hinter uns geschlossen hatten, verloren sie jegliches Interesse an uns.«
    »Ich hatte den Eindruck, als wüssten sie nicht länger, dass wir überhaupt da sind.« Ellie hob die Schultern. »Aber ich kann für nichts garantieren. Die Spinnen lassen sich nur äußerst bedingt erlauschen - wie so ziemlich alles hier.«
    Zamorra nickte. Das passte ins Bild, so absurd und unlogisch es auch erscheinen mochte. Auch vorhin, als Ellie und Ben vor den Spinnen geflohen und in der Kammer gelandet waren, die Nicole zu verschlingen versucht hatte, hatten die Monstren sofort von ihren Opfern abgelassen, sowie diese den Flur verließen.
    Als hätten sie das Interesse verloren , wiederholte er in Gedanken. Oder… Als wären wir Menschen für sie in den Zimmern nicht länger existent!
    Es hieß, Goldfische hätten ein Gedächtnis, dessen Fassungsvermögen eine Zeitdauer von fünf Sekunden nicht überschreite. Lag hier ein ähnliches Phänomen vor? Vergaßen die Ungeheuer schlicht, was sie nicht sehen konnten? Es war möglich, plausibel sogar, und doch ahnte Zamorra, dass es nur die halbe Wahrheit darstellte. Wenn überhaupt.
    Kyrgon hat unsere Lage mit einem Spiel verglichen. Einem, in dem wir die Figuren darstellen. Vor seinem geistigen Auge sah er sich, Nicole und die anderen als Figuren auf einem überdimensionierten Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Brett. Männchen im Brettspiel eines rücksichtslosen Riesen. Zug um Zug machend, um das sichere Ziel zu erreichen. Aber das ist das falsche Prinzip, oder? Immerhin sind wir nicht hier, um uns gegenseitig aus dem Spiel zu werfen, wie man es bei Mensch-Ärgere-Dich-Nicht praktiziert. Für die Auslese sind die Spinnen da - und das Haus selbst. Das Haus mit seinen tödlichen Fallen.
    Dann ging das Licht an. Und Zamorra fragte sich, in welche er nun schon wieder geraten war.
    ***
    Die Leichen waren das erste, was Ellie auffiel. Sie konnte den Blick kaum mehr von ihnen wenden.
    Es musste ein Dutzend sein, in verschiedenen Stadien des Zerfalls. Sie saßen an den schlichten runden Holztischen, als wären sie über das Warten auf ihre Bestellung verstorben. Verweste und verwesende humanoide Körper, voller Wunden und Löcher. Hier schaute ein Stück Knochen aus dem porös gewordenen Fleisch, da war ein Ohr abgefallen und im Dreck auf den Bodenbrettern gelandet. Augen, so glibberglasig wie Gallertbällchen, starrten ins Leere, und unter so manchem offenen Wams oder Hemd sah man auf einen bleichen, eingefallenen Brustkorb, dessen Haut papierdünn über den hervorstehenden Rippenknochen gespannt zu sein schien.
    Die Toten waren beiderlei Geschlechts und allesamt von einer dicken Staubschicht bedeckt.
    Letzteres ließ sich über alles in diesem Raum sagen, der ansonsten aussah wie eine mittelalterliche Schänke aus ländlicher Umgebung. Die linke Seite des länglich geschnittenen Zimmers wurde von einer schäbig zusammengezimmerten Theke dominiert, vor der einige Hocker und hinter der ein schiefes und mit allerlei Krügen bestücktes Regal zu allem anderen als zum Verweilen einlud. Mitte und rechte Hälfte des Zimmers stellten den eigentlichen Schankraum dar. Ellie sah knapp zwanzig Tische, meist mit drei bis vier Sitzgelegenheiten kombiniert, und die Stühle wirkten so alt, zerbrechlich und ungemütlich wie die Tische selbst.
    Die hintere Wand bestand zu zwei Dritteln aus einem breiten Panoramafenster, hinter dem sich ihr abermals ein Blick auf das mit bunten Energiewirbeln durchzogene Nichts bot, das dieses bizarre Anwesen umgab.
    Ellie musste mit einem Mal so kräftig husten, dass Zamorra und Nicole sich entsetzt zu ihr umsahen.
    »Bekommen Sie keine Luft?«, fragte die

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