0968 - Die Greise von Eden
ihrer eigenen grenzenlosen Verblüffung begriffen, dass ihr eigen Fleisch und Blut deren Grundstein gelegt hatte.
Aaron war lange tot - körperlich zumindest. Aber ebenso wie bei jedem seiner Nachkommen überdauerte sein Geist, seine Seele, den physischen Tod. Und diese mentale Kraft hatte über Jahrhunderte hinweg das Siegel - den Pfropfen - dargestellt, mit dem etwas unfassbar Böses, das im Untergrund der Millionenstadt schlummerte, sich entfalten und seine unheilvolle Saat hatte ausbringen können.
Unlängst war jedoch eine wahre Explosion des Bösen erfolgt. Ein solcher Schub an negativer Energie hatte die Metropole durchpulst, dass selbst die Hall-Geister kapitulieren mussten. Seither vegetierten sie in einer Kaverne unter dem Tate Museum und waren froh, nicht längst von der negierenden Kraft verschlungen worden zu sein, die wie ein Moloch über ganz London zu wuchern begonnen hatte. Ein gigantischer Baum, der an die in vielen Sagen beschriebene Weltenesche erinnerte, war in den Himmel aufgeschossen und hatte mit seinem unfasslichen Geäst die gesamte Fläche der Stadt an der Themse überragt. Später war auch jener Baumgigant hinter dem Nebelblock verschwunden.
Zusammen mit Nele und Zamorra hatte Hogarth die Flucht aus der wie von einem Krebsgeschwür durchdrungenen Metropole gerade noch geschafft.
Seither konnte das Böse hinter der Nebelgrenze schalten und walten, wie es wollte. Zamorra suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, das Monströse zu besiegen oder zumindest wieder in seine uralten Schranken zu verweisen - und Nele hatte ihm angeboten, auf ihre ganz eigene Weise alternativ nach einem rettenden Mittel gegen das Element der Finsternis und des Bösen zu suchen, das London regelrecht überrannt und annektiert hatte.
Deshalb waren sie nach Jordanien gekommen. Von Aarons Geist stammte der Hinweis, dass Nikolaus ihn im ausgehenden 13. Jahrhundert in Londons Unterwelt aufgespürt und besucht hatte - und von dort aus schließlich wieder in diese Region der Erde aufgebrochen war, aus der er einst mit den Früchten des ewigen Lebens in Berührung gekommen war.
Nikolaus hatte Aaron erklärt, er wolle nicht ruhen, bis er eine Möglichkeit gefunden habe, seine Mutter - also Nele - doch noch in angemessener Weise zu beschenken: nicht nur mit einem nie endendem Leben, sondern auch einem »in vollem Saft«, mit der verlorenen Jugend. Er selbst hatte sich seine ja auf ewig bewahren können.
Aus dem Gehörten hatte Nele geschlossen, dass sich Nikolaus noch einmal zum Garten Eden hatte begeben wollen. Weil er sich dort die Erfüllung seines innigsten Wunsches erhoffte.
Bis heute war Nele unsicher, so hatte sie Hogarth wissen lassen, ob Nikolaus seine »Früchte der Unsterblichkeit« tatsächlich im biblischen Paradies gefunden und von dort mitgebracht hatte.
Aber von wo sonst?
Obwohl Hogarth kein sonderlich gläubiger Mensch war, hatten sich mittlerweile so viele Indizien für ihn angehäuft, die für die Existenz des Gartens Eden sprachen, dass er sich mit zwiespältigen Gefühlen bereit erklärt hatte, Nele bei ihrem Versuch zu begleiten, auf Nikolaus' Spuren wandeln zu wollen.
Tatsache war: Offenbar war die große Liebe Neles in ihrem Vorhaben gescheitert, den Garten ein zweites Mal zu finden oder zu betreten. Sonst hätte er irgendwann wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Er hatte mehr als siebenhundert Jahre Zeit gehabt, Nele erneut zu finden. Sie hatte, wie sie erzählte, auf ihrem seitherigen Lebensweg bewusst Fährten hinterlassen, die für Nikolaus leicht zu entschlüsseln gewesen wären und zu ihr geführt hätten. Entweder er hatte es nie wieder versucht, oder ihm war etwas zugestoßen.
Möglich auch, dass er den Garten zwar wiedergefunden, dieser ihn aber nicht wieder hatte entkommen lassen.
Alles war denkbar, wenn man sich auf das eigentlich Undenkbare einließ.
»Da!« Hogarth zeigte nach vorne, wo sich aus dem landschaftlichen Einerlei geordnete Strukturen abzuzeichnen begannen. »Das muss Al Karak sein. Die Stadt, in deren Nähe Eden liegt.«
Aber bevor sie sie erreichten, kam es zu einem unerwarteten Zwischenfall.
Eine Straßensperre tauchte vor ihnen auf. Hogarth war gezwungen, anzuhalten.
Männer in paramilitärischer Kleidung und bis an die Zähne bewaffnet umringten den Jeep. Einer von ihnen trat vor und klopfte mit dem Schaft seiner MPi gegen die Scheibe der Fahrertür - so heftig, als lege er es darauf an, sie zu zertrümmern.
Hogarth kurbelte die Scheibe herunter. Er
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