097 - Die Todestür
Hospital. Ich saß mit Coco im Speisezimmer der Jugendstilvilla am Frühstückstisch.
„Was meinen Sie denn, Miß Pickford?"
Miß Pickford, eine alte Jungfer und das Faktotum der Jugendstilvilla, trug das graue Haar in wohlfrisierten Löckchen. Sie legte die ,Times' vor mich auf den Tisch und deutete auf die Schlagzeile. Ein Mann in London entscheidet über Leben und Tod der dreizehn entführten Kinder lautete die Schlagzeile. Kleiner gedruckt stand darunter: Kindesentführer meldete sich.
„Na und?" fragte ich.
„Im Radio wurde gerade durchgegeben, wer der Mann ist, in dessen Hand das Leben der dreizehn Kinder liegt", sagte Miß Pickford.
„Wer ist es denn?" Mir kam ein Gedanke. „Doch nicht etwa - ich?"
Miß Pickford nickte.
„Doch. Ganz genau. Der Entführer hat sich im Laufe der Nacht bei Scotland Yard gemeldet. In der Zeitung steht, daß er ein Telefongespräch führte, das Scotland Yard nicht zurückverfolgen konnte. Der Entführer sagte, daß die Kinder in seiner Gewalt wären und es ihnen gut ginge. Er wollte kein Geld, sondern er hätte es nur auf einen bestimmten Mann in London abgesehen, der seine Forderungen erfüllen müßte."
„Und weiter?"
„Vor wenigen Minuten nun hat er sich an den BBC gewandt. In diesem Gespräch verriet er den Namen des Mannes, um den es ihm geht: Dorian Hunter. Er nannte auch die Adresse der Jugendstilvilla und sagte, daß Sie hier zu erreichen wären, Mr. Hunter."
Das war wirklich eine Überraschung. Ich hatte das Radio nicht eingeschaltet, weil ich mich beim Frühstück mit Coco unterhalten wollte. Wir hatten bis in die Nacht hinein diskutiert und waren uns nicht einig geworden. Ich war dafür, unser Kind zu uns zu nehmen, um es vor Luguri besser schützen zu können. Aber Coco wollte nichts davon wissen. Sie weigerte sich sogar, mir den Aufenthaltsort meines Sohnes zu nennen. Manchmal verstand ich sie nicht. Coco sagte, es wäre das beste für den Jungen, wenn er dort blieb, wo er war.
Coco und Miß Pickford sahen mich an.
„Was hat das zu bedeuten, Dorian?" fragte Coco.
Ich hob die Schultern. „Luguri will etwas von mir, aber was, das weiß ich selbst nicht. Vielleicht den Ys-Spiegel, vielleicht auch etwas anderes. Vielleicht ist es aber auch nur ein Ablenkungsmanöver. Wir werden es erfahren."
„Deine Ruhe möchte ich haben. Weshalb hat Luguri dem BBC deinen Namen genannt?"
„Um mich unter Druck zu setzen und mir Unannehmlichkeiten zu bereiten. Hier wird es bald einen höllischen Rummel geben. Reporter von Presse, Rundfunk und Fernsehen werden aufkreuzen, unsere tüchtige Polizei, Neugierige und nicht zuletzt die Eltern der entführten Kinder. Sie werden von mir wissen wollen, was der Entführer von mir will, und sie werden verlangen, daß ich seine Forderung erfülle."
„Aber du kennst sie doch nicht."
„Du weißt das, Coco, aber die andern werden mir das nicht glauben. Na, hoffentlich kann ich wenigstens in Ruhe zu Ende frühstücken, ehe der Rummel losgeht."
Ich konnte es nicht. Ich hatte gerade ausgesprochen, als nebenan das Telefon klingelte. Miß Pickford ging an den Apparat. Sie kam gleich wieder an die Tür.
„Für Sie, Mr. Hunter. Die Redaktion vom ,Guardian'."
„Sagen Sie, ich bin nicht zu Hause."
„Aber Mr. Hunter, ich kann doch nicht lügen!"
„Dann lernen Sie es. Oder sagen Sie wenigstens, daß ich nicht zu sprechen bin."
Es war neun Uhr morgens. In den nächsten Stunden erfolgte ein wahrer Ansturm auf die Jugendstilvilla. Das Telefon klingelte ununterbrochen, kaum daß ich den Hörer aufgelegt hatte. Wir legten die Hörer der beiden Telefonapparate schließlich auf die Seite, damit die Leitungen blockiert waren. Dann schrillte die Türklingel wieder und wieder. Das Tor der Jugendstilvilla blieb verschlossen, aber das hielt die Reporter nicht ab. Sie stiegen übers Tor und die Mauer, fotografierten Grundstück und Haus und klingelten und pochten an allen Türen.
Dämonen konnte man mit Dämonenbannern fernhalten, aber gegen die Presse mußte erst etwas erfunden werden.
Trevor Sullivan, Ex-Offizier und ehemaliges Secret-Service-Mitglied, wollte die Reporter vom Grundstück verweisen. Als er die Haustür öffnete, trampelten sie ihn fast tot. Ich mußte Gewalt anwenden, um die Reportermeute wieder aus dem Haus zu bekommen. Coco half mir dabei mit Hypnose und ein paar Hexenkunststückchen.
Ich hatte nichts gegen die Presse, denn ich war selbst einmal Journalist gewesen. Aber mit diesen Leuten im Haus hätte ich keine
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