0975 - Hier wohnt der Tod
Ich hatte eine andere Meinung. Sie war mir durch das Eindringen des Meuchelmörders bestätigt worden.
Die Männer waren zu viert. Zwei von ihnen trugen die Wanne, in der der Tote seinen Platz finden würde. Peter Hillman war ein kräftiger Mann mit blonden, struwweligen Haaren. Er sah etwas zerknittert aus. Unter den Augen malten sich Ränder ab, und er sprach davon, daß es schon seine fünfte Nachtsqhicht war. Nie hatte er in den letzten Nächten Ruhe gehabt, immer war etwas los gewesen. Aber seine Beschwerden verstummten, als er die Leiche sah.
»Scheiße«, sagte er nur.
»Das ist auch Ihnen neu, wie?«
»Ja«, gab er zu. »Ein Toter, der nur ein Auge hat…« Er schüttelte den Kopf. »Das sieht ja richtig leer aus, als hätte man alles, was sich dahinter befunden hat, einfach weggeätzt.«
»So ähnlich ist es auch gewesen.«
»Da werden sich die Ärzte freuen.«
Ich verstand seine Ironie. Dann schuf ich den beiden Männern Platz, die sich um den Toten kümmerten. Die Wanne hatten sie neben die Couch gestellt. Sie hoben den starren Körper an und legten ihn in die Wanne hinein, dann schlossen sie den Deckel und klemmten ihn fest.
Hillman schaute sich noch um. »War das alles?«
»Hier schon«, sagte ich. »Aber ich werde hinter ihnen herfahren, denn die Obduktion können wir uns nicht entgehen lassen.«
»Das macht Ihnen doch keinen Spaß - oder?« fragte er mit verzogenem Mund.
»Bestimmt nicht.«
Suko war ebenfalls abmarschbereit. Im Flur ließen wir den Kollegen den Vortritt. Es war still. Kein Mensch sah uns in den Lift steigen. Mein Freund Suko zeigte ein sorgenvolles Gesicht. Ich ging davon aus, daß er mit den Gedanken bei Shao war, die den Käfer in ihrer Wohnung hatte und ihn bewachen sollte.
»Er ist sicher«, sagte ich zu meinem Freund, um ihn aufzumuntern.
»Meinst du?«
»Was sollte denn passieren?«
»Das weiß ich nicht. Und das ist eben das Fatale an der Sache…«
***
Shao war zwar auch nicht glücklich darüber, die Aufpasserin für diesen Käfer spielen zu müssen, aber einen Rückzieher hatte sie auch nicht machen wollen, deshalb nahm sie ihn auch mit, stellte ihn aber nicht in das Schlafzimmer, sondern suchte für das große Glas einen Platz im Wohnraum.
Der Eßtisch schied aus. Sie wollte den Käfer einfach nicht dorthin stellen, wo sie aß, auch wenn er in einem Gefängnis steckte. Der Schreibtisch kam ihr recht. Dort befand sich zwar ihr Computer, aber in seiner Umgebung gab es noch genügend Platz für das Glas, und so stellte Shao es neben dem Monitor ab.
Sie schaltete die Lampe ein, die das Glas anstrahlte, und natürlich auch seinen Inhalt. Sehr deutlich konnte sie den Käfer jetzt sehen, der nicht mehr versuchte, an den Innenrändern hochzukrabbeln, sondern auf dem Boden lag und zuckte, die beiden Zangen ausgestreckt. Es sah so aus, als wollte er immer wieder beißen, und Shao, die sich gebückt und ihr Gesicht dicht an das Glas herangebracht hatte, verzog bei diesen ihr fremden Bewegungen des öfteren die Nase.
»Du kommst nicht aus deinem Gefängnis heraus«, flüsterte sie dem Käfer zu. »Du wirst ein Gefangener bleiben. Hier ist nicht das alte Ägypten, hier verehrt dich niemand.«
Sie stellte sich wieder hin und überlegte, ob sie das Licht der Schreibtischlampe brennen lassen sollte. Sie selbst wollte nicht als Aufpasserin vor dem Glas hocken bleiben, sondern sich ins Bett legen.
Außerdem fühlte sie sich müde. Die Stunden vor dem Bildschirm waren nicht immer ein Vergnügen.
Bevor sie ging, klopfte sie mit dem Fingernagel gegen das Glas. Der Skarabäus rührte sich nicht. Er blieb in seiner Haltung und sah sogar aus, als hätte er sich aufgebläht.
»Dann eben nicht«, sagte Shao, drehte die Lampe zur Seite, damit das Glas mehr im Dunkeln stand und betrat selbst das Schlafzimmer, um sich hinzulegen. Sie gähnte, während sie den Bademantel ablegte und das Bett aufdeckte.
Dann streckte sich Shao aus. Sie war froh, sich hinlegen zu können. Ihre Augen hatten sich an das wenige Licht im Schlafzimmer gewöhnt. Da die Tür nicht geschlossen war, fiel noch der schwache Schein aus dem Wohnraum in das Zimmer. Er Verlor sich unterwegs und erreichte kaum das Bett.
Shao streckte sich aus. Sie hatte lange gesessen, und ihr Gähnen zeugte davon, daß sie rechtschaffen müde war.
Normalerweise wäre sie sofort eingeschlafen. Jetzt allerdings schwirrten ihr die Ereignisse der letzten Stunden noch zu stark durch den Kopf. Sie beschäftigten sie, obwohl sie
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