0977 - Kemoaucs Bestie
Wahrnehmung eines ganz eigenen Geruchs", fuhr Joker fort. Weitere Weben lösten sich von seinem Kokon. Das ganze spinnwebenartige Gebilde begann immer heftiger zu zucken und zu leuchten. Das Leuchten wurde zu einem Glühen und Glose - und die Spinnwebenlagen lösten sich Schicht um Schicht auf. „Dieser intensive Geruch dominiert über alles andere."
„Was geschieht mit ihm?" fragte Laire, der seine beiden Augen auf Joker richtete und dabei leichte Besorgnis erkennen ließ.
„Das ist die erste Metamorphose", erklärte Kemoauc unbeeindruckt. An Joker gewandt, der nun deutliche Konturen annahm, fragte er: „Was ist das für eine Witterung, die du hast?"
„Ich wittere eine Strahlung, würde ich sagen", antwortete Joker. Er hatte bereits einen langgestreckten Körper mit sechs Extremitäten. Vorne, wo bei einem Tier der Schädel gewesen wäre, bildete sich ein krautartiger Knollen. Die ganze Gestalt war noch von einem Gespinst überzogen, das jedoch in Auflösung begriffen war.
„Meine Bestie!" sagte Kemoauc nicht ohne Stolz.
Laire blieb unbeeindruckt. Er wollte erst einmal abwarten, was Joker gegen die Androiden ausrichten konnte. Bis jetzt hatte er noch nicht viel gezeigt. Was die „Witterung" der Strahlung anlangte, so konnte Laire mit ihm konkurrieren. Er hatte diese ebenfalls geortet und konnte sie sogar analysieren.
„Joker meint zweifellos eine Reststrahlung der On- und Noon-Quarten", erklärte Laire. „Sie ist noch relativ stark."
„Die Androiden stehen im Bann dieses Geruchs", erklärte Joker bestimmt. „Sie empfangen ihn mit ihren Gehirnen und saugen ihn mit jeder Faser ihrer Körper ein."
Das war selbst Laire neu.
„Könnte es sein, daß diese Reststrahlung Servus und seine Mannschaft verändert hat?" fragte Laire wie zu sich selbst. Er machte eine rasche Analyse und konnte sich gleich darauf die Antwort geben: Genauso war es. Er sagte es laut: „Die Reststrahlung der On- und Noon-Quanten, die von den Sporenschiffen ausgeht, hat die Androiden verändert. Darum gehorchen sie den Kosmokraten nicht mehr. Es ware jedoch interessant zu wissen, welcherart sie durch die Reststrahlung verändert wurden."
Laire erhoffte sich die Antwort auf diese Frage von Joker. Doch Kemoaucs Bestie schwieg. Joker stand in der abschließenden Phase seiner Metamorphose, so daß seine Körperfunktionen blockiert waren.
„So habe ich dich noch nie gesehen, Joker!" rief Kemoauc und blickte seine Bestie an.
Joker besaß nun eine drei Meter lange Raubtiergestalt, jedoch ohne ein Fell. Sein muskulöser, sehniger Körper war mit einer glatten, geschmeidigen Haut überzogen. Er besaß sechs kurze Extremitäten. Das vordere Paar war rüsselartig. Das mittlere Paar besaß Krallen, und das hintere Beinpaar war besonders muskulös und hatte Tatzen mit einer großen Auftrittfläche.
Das Hinterteil lief spitz zu und hatte eine rosettenartige Wucherung wie ein Pavian. Als Kemoauc kurz hinblickte, nahm er ein verwirrendes Farben- und Formenspiel wahr, das in seinem Kopf starke Verwirrung verursachte.
Kemoauc blickte sofort wieder weg und ließ seine Augen zum Vorderteil der Raubtiergestalt wandern. Der Kopf war ein Gebilde wie ein überdi mensionaler Kohl, der seine Deckblätter entfalten konnte. Das Herzstück war eine konvulsivisch zukkende Masse, die aufquoll und wieder schrumpfte. Das war das eigentliche Sinnesorgan Jokers, aber es blieb nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar, dann schlossen sich die „Deckblätter" wieder darüber.
„Ich weiß, daß du mich so noch nie gesehen hast", sagte die Bestie. „Ich bin das auch zum erstenmal, soweit ich das beurteilen kann. Du hast mich vorher auch noch nie Joker genannt."
„Bleibt nur zu hoffen, daß du deinem Namen alle Ehre machst", sagte Laire skeptisch. An Kemoauc gewandt, fragte er: „Hast du mir vorhin überhaupt zugehört?"
„Klar", sagte Kemoauc, ohne Joker aus den Augen zu lassen, der unruhig durch den Laderaum wanderte.
Sein Gang war eine Mischung von Schleichen und Hüpfen, alles andere als majestätisch oder gar grazil. Nein, Joker war kein ästhetisches Geschöpf, aber dem Zweck entsprechend. Sein Körper und seine Fähigkeiten waren auf die Situation abgestimmt. Kemoauc riß sich von seinen Betrachtungen los und fuhr fort: „Mir war von Anfang an klar, daß diese Reststrahlung für den Zustand der Androiden verantwortlich sein muß."
„Warum hast du deinen Verdacht nicht geäußert?" fragte Laire.
„Weil uns das nicht weiterhilft",
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