0980 - Der Fluch des dunklen Apfels
für keine andere sonst. Die musst du dir erst verdienen.«
Halt die Klappe und komm zum Ende. Ich bin kein Mensch, den du mit deinem Höllenmist erschrecken kannst. Asmodis grinste innerlich.
In der Tat war der Ex-Teufel, als er das Spiel zum ersten Mal betreten hatte, auf einem Einstiegslevel gelandet, in dem Coringham Castle und ein Hexenfluch zentrale Rollen spielten. Obwohl es sich bei Lost Soul um ein magisch animiertes Computerspiel handelte, waren die Spieler den programmierten Spielregeln unterworfen. Wer einen Fehler machte, flog sofort aus dem Spiel und musste neu beginnen. Und nur, wer einen Level erfolgreich hinter sich gebracht hatte, konnte in den nächsten aufsteigen, sprich, in einer weiteren Welt kämpfen.
Eine Ausnahme gab es: Magische Wesen wie Asmodis konnten sich auf Anhieb kreuz und quer durch alle Welten bewegen. Wenn sie dabei ihren Level verließen, gaben sie allerdings ihren Status als Spieler auf. Genau das hatte Asmodis nach seinem Ersteinstieg getan, weil er so gehofft hatte, schneller den Highscore-Level mit dem Höllentor zu finden. Er war gescheitert, da er Hunderttausende von Welten hätte durchsuchen müssen. Zudem öffnete sich das Höllentor nur, wenn es einen Spieler verschlingen wollte, was ohnehin sehr selten geschah. Genau diesen Moment hätte er zufällig erwischen müssen.
Erst nachdem sich Asmodis als dessen Schatten an den Toppspieler Mickaman gehängt hatte, waren sie tatsächlich bis in die Endzone vorgestoßen. Während Mickamans Seele aber durch das Höllentor nach Avalon geschleudert worden war, hatte die Programmierung Asmodis nicht als Spieler erkannt und ihm den Durchgang verweigert, da er den Fehler gemacht hatte, sich zuvor von Mickaman zu trennen.
Also muss ich jetzt eben in den sauren, pardon, Dunklen Apfel beißen und mich durchwühlen.
»Worauf wartest du, Turalel? Ich will endlich da rein.«
Im selben Moment befand sich Asmodis bereits auf Coringham Castle. Als erfolgreicher Journalist Sid Amos, der mit Patricia, der Tochter des Hauses verlobt war, löste er problemlos den Fluch der uralten Hexe Shyleen; die Spielanimation sah vor, dass Shyleen im Mittelalter in eine Burgwand eingemauert und gebannt worden war, in der Gegenwart jedoch nach Abrissarbeiten und dem Freilegen ihres Skeletts wieder erschien und die Familie Coringham, vor allem aber Patricia, terrorisierte.
Sid Amos schaffte mit Patricias Hilfe das Hexenskelett in Windeseile zum Sühnekreuz von Wylla, ohne in die Fallen zu treten, die die Spielprogrammierung bereithielt. Er begrub das Skelett unter dem Sühnekreuz, denn er musste die Hexe »totmachen«, um in den nächsthöheren Level aufzusteigen. Als die Hexe Shyleen daraufhin noch einmal ihre ganze magische Kraft aufbrachte, um sich vor der drohenden Vernichtung zu schützen und Patricia als Geisel nahm, erschien der Geist des heiligen Hieronymus im Sühnekreuz, nachdem der bedrängte Amos ihn um Hilfe angefleht hatte. Obwohl er die Hexe spielend alleine »ans Scheunentor hätte nageln können«, musste er doch zwingend Hieronymus’ Hilfe in Anspruch nehmen, damit sich das Tor zum nächsten Level öffnete. Asmodis kicherte leise vor sich hin, als die Welt um ihn her plötzlich in einem überirdischen Strahlen zu versinken schien.
Sieh mal einer an. Da ist er ja, mein guter alter Bekannter. Die Welt ist doch klein. Mensch, Hieronymus, das war echt eine schöne Zeit damals, als ich dich höchstpersönlich versucht habe!
Der bärtige Missionar mit den weit aufgerissenen Augen und dem alles entschlossenen, fanatischen Blick hob das geweihte Silberkreuz mit einer dramatischen Handbewegung, um es dem Hexengeist von hinten auf den Kopf zu dreschen.
Nun pluster dich mal nicht so auf, Alter. So heilig, wie du tust, warst du ja gar nicht. Ich hab dich schon ein gehöriges Stück vom rechten Weg abgebracht. Vor allem dieses dralle Hirtenmädchen hatte es dir mächtig angetan, was? Kein Wunder, dass du hinterher dieses Sühnekreuz errichten musstest!
Sid Amos bedankte sich höflich beim animierten Hieronymus, danach strahlte das Sühnekreuz plötzlich stahlblau durch die Nacht. Und die Stimme des Game Masters ertönte aus dem Off: »Gratulation, Spieler Sid Amos, du hast den ersten Level erfolgreich hinter dich gebracht. Betritt nun eine weitere der magischen Welten des Duncan Wexford und kämpfe, leide und, ja, sterbe vielleicht sogar dort. Viel Glück und Erfolg.« Ein schauerliches Lachen ertönte, als Sid Amos in das blaue Leuchten trat.
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