0980 - Schwerkraft-Alarm
Lyn stand der Sinn nicht eigentlich nach Besuchern.
Als sie mit „Herein!" antwortete, da geschah es mehr automatisch, aber der Audioservo nahm die Anweisung dennoch entgegen und öffnete die Tür.
Lyn machte aus ihren Gefühlen gewöhnlich keinen Hehl. Die Uberraschung stand ihr im Gesicht geschrieben, als sie Jak Nyman erblickte. Sie schob den kleinen Tischrechner beiseite, mit dem sie gearbeitet hatte, und sah zu ihrem Besucher auf.
„Oh", sagte sie.
Nyman schritt durch die offene Tür, die sich hinter ihm wieder schloß. Lyn verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
„Lassen Sie mich raten", sagte sie. „Sie sind gekommen, um sich bei mir zu entschuldigen."
Ebenso unaufgefordert wie bisher zog Nyman einen Stuhl unter dem Tisch hervor und ließ sich darauf nieder.
„Nein. Warum sollte ich mich bei Ihnen entschuldigen müssen?"
„Wegen Ihrer verdammten Hoffärtigkeit!"
Er schüttelte den Kopf. Er wirkte gelassen wie immer. Er machte den Eindruck eines Mannes, dem niemand und nichts etwas anhaben konnte.
„Sie verstehen mich falsch", sagte er ruhig. „Ich bin nicht hoffärtig. Unbescheiden vielleicht, aber nicht hoffärtig. Ich habe nie begreifen können, warum einer, der etwas weiß, aus lauter Höffichkeit so tun soll, als wüßte er nichts.
Das ist das einzige, was Sie mir vorwerfen können - falls es nach Ihrer Ansicht einen Vorwurf wert ist."
„Also was wollen Sie?"
„Mich erkundigen, ob Sie schon zuAbend gegessen haben."
„Habe ich. Weiter?"
„Zweitens wollte ich Sie darum bitten, daß Sie sich noch einmal überlegen, ob Sie mich nicht doch in Ihre Mannschaft aufnehmen wollen, wenn Sie mit dem Vorpostenschiff auf Fahrt gehen."
„Ich gehe mit keinem Vorpostenschiff auf Fahrt."
„O doch", grinste Jak Nyman. „Sie sind die einzige Fahrzeugführerin mit einschlägiger Erfahrung. Wenn die Schiffsführung nicht von sich aus auf die Idee kommt, daß man Sie einsetzen muß, dann werde ich Rhodan mit logischen Argumenten davon überzeugen."
„Das heißt, Sie erwirken einen Befehl?"
„Ja."
Lyns Lächeln war hintergründig.
„Angenommen, Sie haben soviel Macht über die höchsten Leute an Bord dieses Schiffes, aber Sie können sie nicht dazu bewegen, daß man mir einfach befiehlt, Sie in meine Mannschaft aufzunehmen?"
„Doch, das könnte ich wohl. Aber daran liegt mir nichts."
„Weswegen nicht?"
„Ich möchte Ihnen nicht aufgedrängt werden. Ich möchte, daß Sie selbst meine Abordnung wünschen."
„Warum?"
Jak Nyman sah Lyn Degas direkt in die Augen.
„Sie sind äußerst attraktiv - als ob Sie das nicht wüßten. Ich suche Ihre Nähe. Fühlen Sie sich nicht auch von mir angezogen?"
Lyn starrte ihn zwei Sekunden lang an, dann begann sie prustend zu lachen.
„Daraus könnte ich ein Wortspiel machen, das auf jeder Schmierenbühne mit zehn Dollar pro Zeile bezahlt wird!" stieß sie hervor. „Aber lassen wir das. Nein, Jak Nyman, ich fühle mich nicht von Ihnen angezogen."
Nyman stand auf. Er zuckte mit den Schultern.
„Daran kann man nichts machen", sagte er, wandte sich um und schritt auf die Tür zu.
Als diese sich vor ihm öffnete, rief Lyn hinter ihm her: „Trotzdem lasse ich mir Ihr Angebot noch einmal durch den Kopf gehen."
Jak Nyman reagierte darauf nicht. Man hat nie herausgefunden, ob sein Selbstbewußtsein infolge der Abfuhr Schaden erlitt. Aber es hält sich an Bord der BASIS hartnäckig das Gerücht, daß Jak Nyman in dieser Nacht zum ersten Mal betrunken in einer öffentlichen Bar gesehen wurde.
*
Gegen Mitternacht an diesem Tag saß Perry Rhodan in einem kleinen Gemeinschaftsraum, der nur ihm und seinem Stab zugänglich war. Er war der einzige Gast der komplexen Servierautomatik, die in der Lage war, selbst die ausgefallensten Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Er hatte drei Becher eines nicht übermäßig milden alkoholischen Getränks geleert - ein Luxus, den er sich dieser Tage nur höchst selten erlaubte - und befand sich in iener unbeschwerten, aber nachdenklichen Stimmung, in der die Gedanken in Fernen reisen, deren Grenzen die Disziplin des nüchternen Verstandes ihnen üblicherweise nicht zu überschreiten erlauben. Er wandte sich langsam um, als er das Summen des Türmechanismus hörte, und erblickte Reginald Bull.
„Tritt ruhig ein, Genosse froher Stunden! „ Bull setzte sich ihm gegenüber, wählte ein Getränk und musterte ihn mit halb verwundertem, halb besorgtem Blick.
„Aber sonst geht’s dir gut?"
„So gut es
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