0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
Alejandro, dass sich etwas verändert hatte. Jemand war in das Gedankennetz eingedrungen. Er wusste nicht, wie das möglich war, doch auf einmal teilte er die Gedanken und Erinnerungen aller Bürger Abrucetas.
Auch die des Bürgermeisters Enrique Moriente.
Das, was er sah, brachte ihn beinahe um den Verstand.
Juliana hatte ihn jahrelang belogen! Araminta war doch seine Tochter. Und Juliana war nicht bei einem Unfall gestorben. O nein! Moriente hatte sie die Treppe hinuntergestoßen!
Dieses Schwein! Dieser Abschaum! Er hatte Alejandro nicht nur über Jahre die Tochter vorenthalten, er hatte ihm auch die Frau genommen, die er geliebt hatte.
Enrique Moriente, dieses aufgeblasene, wichtigtuerische, machtbesessene Stück Scheiße hatte ihm das Leben zertrümmert!
Und dafür würde er nun ihn zertrümmern. Jeden einzelnen Knochen würde er ihm brechen. Die Konsequenzen waren ihm egal. Sollten es ruhig alle wissen. Sie konnten gerne erfahren, was für ein Mistkerl ihr Bürgermeister war.
Da hörte er unzählige Stimmen, die zu einer einzigen verschmolzen: Wir wissen es bereits! So wie du haben wir es auch gerade erfahren.
Der Schmerz, der Hass, der unstillbare Wunsch, Moriente den Hals umzudrehen -sie alle packten Alejandro Cruz und schleuderten ihn aus dem Gedankennetz hinaus in die Realität.
Und andere folgten ihm!
***
Schmerzen!
Schon wieder. Doch diesmal fühlten sie sich anders an. Natürlich, das Knie und das Handgelenk taten Dylan immer noch weh, doch die eisige Kälte und das Stechen in allen Knochen waren verschwunden. Stattdessen glaubte er, unter einem Ganzkörpermuskelkater zu leiden.
Probehalber machte er drei Kniebeugen. Es klappte.
So weit, so gut.
Er stand auf der Wiese vor dem Wäldchen. Vor ihm lag Zamorra mit starrem Blick. Die Kiefer zusammengepresst. Auf der Stirn des Professors sammelte sich Schweiß.
»Zamorra?«
Dylan bekam keine Antwort. Der Parapsychologe war gefangen im Gedankennetz. Sein Atem glich einem angestrengten Hecheln. Dylan konnte den Kampf förmlich sehen, den der Meister des Übersinnlichen innerlich ausfocht.
Ein Schauder überlief seinen Körper. Der Professor hatte ihn gerettet. Wieder einmal!
Aber nicht nur ihn, auch die Leute aus Abruceta hatte er dem Willen des Gosh entzogen. Zumindest die, die sie verfolgt hatten, standen nun teils auf der Wiese, teils im Wald und regten sich nicht. Sie wirkten wie abgeschaltete Roboter.
Ja, Zamorra hatte ihn rausgehauen.
»Es ist an der Zeit, dass ich mich revanchiere.«
Dylan ging zum Wäldchen. Als er an Ernest Peterson vorbeikam und dessen Verletzung sah, verzog er das Gesicht. Doch es blieb keine Zeit für Mitleid!
Er humpelte weiter. Neben einem Baum lag Rodrigo Santoa mit einem Loch in der Stirn. Der Schuss aus Hernandez’ Pistole!
»Verdammt!« Der Schotte merkte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. »Dafür müssen sie bezahlen, diese Gosh-Widerlinge!«
Er reckte die Arme nach vorne und sah die Wirbel des Tattoo-Armbands, die sich hektisch umtanzten. Offenbar spürten sie seine Aufregung.
»Ich mach euch fertig!«
Dylan streckte sich und setzte sich in Bewegung.
***
Surrosh schüttete den Kopf. In ihm brummte und dröhnte es, wie er es noch nie erlebt hatte.
Er packte die Hand, die sein Bruder ihm entgegenstreckte, und ließ sich aufhelfen.
Was war geschehen? Nein, das wusste er genau. Aber wie, bei LUZIFERs Gnade, hatte es geschehen können?
Schon als die Frevler die Treppe zum Tempel heruntergekommen waren, hatte er bemerkt, dass sie gefährlich waren. Aber so gefährlich? Niemals hätte er das vermutet.
Wie hatte er innerlich jubiliert, als seine Diener die drei zu Keimträgern machten. Doch sie hatten sich nicht so unter seinen Willen zwingen lassen, wie er es gewohnt war. Vielmehr hatten sie das Netz gestört und Löcher hineingerissen.
Wer waren diese Kerle?
Surrosh spürte, dass einer ihnen einst großen Schaden zugefügt hatte und der andere…
Hätte er es doch nur vorher gewusst! Dann hätte er seinen Sklaven befohlen, die Frevler zu töten, anstatt sie ins Netz zu holen. Doch dazu war es zu spät, denn auch seine Diener gehorchten ihm nicht mehr!
Wie hatte er die Eindringlinge nur so unterschätzen können?
Dabei konnte er noch froh sein, dass die Keimträger noch immer zu keiner selbstständigen Regung fähig waren.
»Wir müssen gehen!«, grollte Jefrash.
Surrosh zischte vor Wut. »Ich lasse mich nicht so demütigen. Von niemandem! Ich werde das Netz fester knüpfen. Dann werden
Weitere Kostenlose Bücher