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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Davies
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Zimmer über ihr ging jemand mit schweren Schritten hin und her, auch Damenabsätze hörte man, und schließlich schlürfte etwas auf weichen Sohlen von Wand zu Wand. Während sie sich noch wunderte, wer das sein könnte, schlief sie wieder ein.
     

     
    Jerry Boland hatte zum Abendessen Toast und kalten Braten bekommen und eine Kanne dünnen Tee. Dazu hatte ihm die Schwester zwei kleine, rosa Tabletten gegeben, mit dem guten Rat, sie auch einzunehmen.
    Als das auffällig sanftmütige Wesen endgültig verschwunden war, hatte Jerry noch lange mit offenen Augen dagelegen und nachgedacht.
    Auch er analysierte seine Situation. Das merkwürdige Wesen im Luftschacht ließ er weg, da er es nicht erklären konnte. Übrig blieben nach seiner Meinung merkwürdige Vorkommnisse, auf deren Spur er gekommen war. Man hatte das bemerkt, und ihn kurzerhand niedergeschlagen und in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Wer aber war „man“? Welche Rolle spielte der riesige schwarze Maschinenwärter?
    Über eines war sich Jerry vollkommen klar, er durfte nicht noch einmal eine Gemütsbewegung zeigen, wenn der Arzt die Rede auf unerklärliche Geschehnisse, Gnomen und Dämonen brachte. Mit allen Mitteln mußte er gesund erscheinen. Vielleicht war es morgen sogar möglich, eine Nachricht an Ann zu übermitteln. Er vermochte sich zwar nicht vorzustellen, daß sie viel unternehmen konnte, aber sie würde wenigstens wissen, wo er war.
    Er nahm die beiden Tabletten in den Mund und trank den Rest Tee aus der Tasse. Dann streckte er sich aus, versuchte, sich planmäßig zu entspannen und wartete auf den Schlaf.
    Draußen mußte der Vollmond am Himmel stehen. Das fahle Licht floß in breiten Bahnen durchs Fenster und zeichnete helle Streifen aufs Linoleum.
    Mit einem Mal glaubte er, den Arzt wieder neben seinem Bett stehen zu sehen. Als er genauer hinsah, bemerkte er, daß es ein anderer Mann im weißen Kittel war, aber es verwunderte ihn nicht einmal. Der Doktor nickte ihm freundlich zu und setzte sich dann auf seine Bettkante. Jerry spürte die große Ruhe, die von ihm ausging. Durch seine Konturen hindurch konnte er deutlich den Schrank erkennen, aber auch das störte ihn nicht.
    „Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht“, begann der Arzt zu sprechen. Die Stimme war irgendwie körperlos, und obwohl Jerry deutlich sah, wie er die Lippen bewegte, brachte er die Worte damit nicht in rechten Zusammenhang.
    „Ihr Playback stimmt nicht ganz“, lachte er.
    Der Arzt winkte ärgerlich ab.
    „Das kommt von dem Medikament, das Sie genommen haben. Es beeinträchtigt Ihr Gehör, eine etwas unangenehme Nebenwirkung, aber ohne Belang. Ich sagte, daß wir uns um Sie Sorgen gemacht haben. Hat Sie die Fledermaus sehr erschreckt?“
    „Welche Fledermaus?“ fragte Jerry.
    „Das kleine Tier, das Sie im Luftschacht sahen“, erklärte der Arzt geduldig. „Es war eine verirrte Fledermaus.“
    Jerry zog die Augenbrauen zusammen.
    „Woher wollen Sie das wissen?“ fragte er mit überraschender Logik. „Sie waren doch gar nicht in meinem Zimmer!“
    Der Arzt biß die Lippen zusammen. Jerrys Hand hatte verstohlen nach der Klingel getastet und den Knopf gedrückt. Gerade, als der Arzt eine Erwiderung von sich geben wollte, ging im Zimmer das Licht an, und die Schwester stand in der Tür. Da war kein Arzt mehr auf seiner Bettkante, genau, wie Jerry vermutet hatte.
    „Bitte?“ sagte die Schwester.
    „Ich möchte gern noch ein Glas Wasser, der Tee macht nur noch mehr Durst, Schwester.“
    Sie nickte und brachte ihm nach ein paar Minuten ein Glas mit Mineralwasser.
    „Soll ich das Licht vielleicht anlassen?“ fragte sie.
    „Warum?“ tat Jerry verwundert. „Ich möchte doch schlafen!“
    Sie nickte ihm zu und löschte das Licht, ehe sie hinausging.
    Jerry legte sich wieder flach auf den Rücken.
    „Selbsthypnose?“ fragte er sich und faltete die Hände. „Möglicherweise sucht das Unterbewußtsein nach einer Erklärung, erfindet das Märchen von einer Fledermaus und projiziert es in meinen Wachzustand. Das wäre möglich. Beim ersten logischen Schluß bricht das Gebäude vor der Realität zusammen.“ Er beobachtete sich fast mit klinischer Nüchternheit und versuchte es wieder mit systematischer Entspannung. Diesmal fühlte er seine Aufmerksamkeit in Richtung des Stuhls gezogen. Es überraschte ihn nicht, dort einen merkwürdig aussehenden alten Mann zu erblicken, mit spitzem Kinn und Habichtsnase, mit weißen, langen Haaren und einer hochgezogenen

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