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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Davies
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sich sagen, daß doch nur einer ihrer Sinne vorübergehend ausgeschaltet sei, daß jemand anders auch nicht mehr sehen konnte als sie, aber sie fühlte sich unsicher und bedroht.
    „Tretet ein bißchen zur Seite!“ kam Davidsons Stimme, kaum vernehmbar. Ann gehorchte. Sie fühlte etwas näher tappen. Es verhielt zu ihren Füßen, schnupperte an ihren Beinen und bewegte sich dann auf allen vieren weiter.
    „Was war das? Ein Hund?“
    „Der Wächter. Ich habe ihn vorübergehend in einen Hund verwandelt. Es paßte am besten zu seiner Wächterrolle. Ich habe ihm suggeriert, daß er ein Wachhund sei und draußen vor der Tür liegen müsse.“
    „Aber es ist dunkel. Wie können Sie da hypnotisieren?“
    „Es geht auch akustisch. Still jetzt. Nein, erinnern Sie mich nachher daran, daß ich die Hypnose aufhebe, sonst läuft er sein Leben lang wie ein Hund herum!“
    Sie fühlte sich vorwärts gezogen. Plötzlich glaubte sie Musik zu vernehmen. Es schienen ihr die langgezogenen Harmonien eines Chorals zu sein.
    „Wir sind direkt vor dem Eingang zum Festsaal“, raunte Hedwige. „Wir müssen warten, bis sich eine Möglichkeit ergibt, hineinzugelangen!“
    „Wie kann das geschehen?“
    „Nach den ersten Musikstücken wird der Saal verdunkelt, und die Priester erscheinen.“
    Ann wunderte sich, woher Hedwige eine so intime Kenntnis vom Ablauf einer Schwarzen Messe hatte, aber es war wohl jetzt nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Sie lauschte auf die Töne des Gesanges.
    „Aber das ist doch ein christlicher Choral!“ sagte sie.
    „Natürlich. Der ganze Ritus ist eine Parodie auf den christlichen Gottesdienst“, erklärte Hedwige. „Sie singen einen anderen Text auf die Melodie.“
    Der Gesang, der mehrstimmig und sehr diszipliniert war, schloß mit einem langgezogenen Akkord.
    „Jetzt!“ sagte Davidson leise, aber bestimmt.
    „Halten Sie sich eng an mich“, riet Hedwige. Sie tasteten sich vor. Mit einem Mal schlugen verschiedene Geräusche an Anns Ohr. Davidson hatte anscheinend die Saaltür geöffnet. Unterdrücktes Gemurmel, Hüsteln und Füßescharren einer großen Menschenmenge ertönte direkt vor ihnen. Hedwige drückte Anns Hand. Leise schloß sich die Tür wieder hinter ihnen. Ann spürte, daß dicht neben und vor ihr Leute standen, aber ihr Eindringen war wohl nicht bemerkt worden.
    Langsam glommen versteckte Lampen auf. Der Schein erreichte zuerst die Wände und hob einzelne Skulpturen aus dem Dunkel. Es waren abschreckend häßliche Fratzen, die sie anzugrinsen schienen. Dann wurde es heller. Der riesige Raum gewann an Konturen, und Ann sah, daß sie am Rande einer Menge standen, die reglos nach vorn auf einen Altar blickte, der sich in der Mitte erhob.
    Seitlich von dem Altar flammten vielarmige Leuchter auf. Die Gestalten von sieben Priestern standen plötzlich im hellen Licht. Sie trugen Talare aus schwarzem Tuch, das rot bestickt war und sie vom Hals abwärts umschloß.
    Ann faßte ihre Gesichter scharf ins Auge und hätte fast vor Überraschung aufgeschrien. Sie erkannte den Verwalter von Block A, bei dem sie sich einmal um ein Apartment beworben hatte. Sie sah den Leiter der Poststelle wieder, und einen Monteur vom Servicedienst, der bei Jerry einmal den Elektroherd gerichtet hatte. Gehörten sie denn alle zu dieser teuflischen Sekte? Sie richtete sich auf, um vielleicht eine Spur von Jerry zu entdecken, aber er schien noch nicht hereingebracht worden zu sein.
    Die sieben Priester des Satans murmelten eine Litanei. Nach jedem Vers wandten sie sich zur Menge und teilten einen Segen aus, und die Menschen beugten die Knie. Hedwige zog Ann an der Hand herunter, damit sie nicht auffielen. Davidson konnte sie nicht sehen. Er schien verschwunden zu sein.
    Die Satanspriester ließen zum letzten Mal die erhobenen Arme sinken. Leise intonierte eine Orgel ein Vorspiel, begann dann aber machtvoll mit der Melodie, und die Gemeinde des Teufels fiel ein. Aber dieses Lied war nicht getragen und weihevoll, sondern kam dem Charakter der Veranstaltung schon mehr entgegen: ein wilder Rhythmus packte die Menschen und schlug sie in seinen Bann. Sie wiegten sich hin und her, stießen die Füße auf den Boden, und manche fingen sogar an, auf der Stelle zu tanzen. Der Rhythmus steigerte sich von Strophe zu Strophe. Die Menge wurde von einem Taumel erfaßt. Es roch nach Schweiß und ungelüfteten Kleidern. Von der Decke senkten sich Schwaden eines süßlichen Dunstes herab, auch eine Parodie auf die kirchliche

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